HMJ06 - Das Ritual
eine der Blondinen.
Madame Pomerol blickte über die Schulter und lachte abermals. »Nimm die Maske ab, Carl, und leg endlich diese albernen Stäbe weg.«
»Ich verlange eine Erklärung«, sagte die Rothaarige.
»Die sollen Sie auch erhalten, Rose.« Madame hatte sich vollständig gesammelt. »Wenn Sie regelmäßig Zeitung lesen, wissen Sie sicherlich, dass ständig neue selbst ernannte Medien auftreten, die die fantastischsten Behauptungen aufstellen und so die Bedürfnisse leicht zu beeinflussender Gläubiger ausnutzen, um sie von jenen wegzulocken, die – wie ich – über echte Gaben verfügen. Carl und ich haben dieses kleine Schauspiel inszeniert, um zu demonstrieren, wie leicht man zum Narren gehalten werden kann. Ich steuere die Beleuchtung natürlich von hier aus, und habe sie, als ich den Zeitpunkt für gekommen hielt, eingeschaltet, damit Sie mit eigenen Augen sehen können, wie Scharlatanerie und Betrug auf diesem Gebiet funktionieren.«
Donnerwetter! Diese Lady war nicht nur dreist, sie war auch verdammt geistesgegenwärtig.
Jack wünschte sich, er hätte jetzt eine Möglichkeit, erneut die Fernsteuerung zu betätigen. Er hätte nichts lieber getan, als das Licht aus- und einzuschalten, während sie ihre Märchenstunde abhielt. Aber er durfte auf keinen Fall riskieren, dass er dabei ertappt würde, wie er in sein Hemd griff.
Es war allerdings eine ausgesprochen lahme Story, die so durchsichtig war und sicherlich jeden Augenblick auffliegen würde, dass er keine Notwendigkeit sah, dem nachhelfen zu müssen. Er musste an sich halten, nicht in lautes Gelächter auszubrechen.
Eins musste er der Lady lassen, sie war eine gute Schauspielerin. Sie tischte ihren Zuhörerinnen den hanebüchenen Blödsinn mit absoluter Glaubwürdigkeit auf. Doch jeden Moment würden diese vier Kundinnen aufspringen und aus diesem Tempel der ewigen Weisheit flüchten, um ihren reichen Freunden und allen anderen Bekannten zu berichten, dass Madame Pomerol eine erstklassige Schwindlerin sei. Diese Neuigkeit würde sich ausbreiten wie ein Virus. Wenn sie sich früher darüber aufgeregt hatte, ein paar Trottel an die Konkurrenz verloren zu haben, dann sollte sie mal abwarten, bis diese vier Freundinnen ihre Geschichte losgeworden wären. Ihr bliebe danach nur noch der Name einer zirkusreifen Wortverdreherin.
»Tatsächlich?«, staunte die andere Blondine. »Sie haben das alles nur für uns inszeniert?«
»Natürlich, Elaine.« Sie deutete auf Jack. »Und deshalb bin ich auch von meiner üblichen Prozedur abgewichen und habe einem Neuling gestattet, an einer Sitzung teilzunehmen. Ich wollte, dass Mr. Butler mit eigenen Augen die billigen Tricks der gewissenlosen Schwindler kennen lernt, die das Ansehen aller echten, mit paranormalen Fähigkeiten ausgestatteten Medien auf so perfide Art und Weise besudeln.«
Während die Teilnehmerinnen der Seance Jack musterten, erkannte er etwas in ihren Augen, das er dort auf keinen Fall sehen wollte.
Nein. Das kann nicht sein. Sie kaufen ihr diese billige Story ab. Das glaube ich nicht. Wie können sie nur so naiv sein?
Carl, mittlerweile unmaskiert, näherte sich dem Tisch mit den Gegenständen, mit denen er in der Luft herumgefuchtelt hatte.
»Sehen Sie?«, sagte er grinsend, während er den Damen seine Requisiten zeigte. »Nicht mehr als ein Stück billiger Chiffon.«
»Aber es sah so echt aus«, meinte die Brünette. »Genauso wie bei den Gelegenheiten, wenn Ektoplasma aus Madame heraustritt, während …«
Madame Pomerol räusperte sich und stand auf. »Ich denke, wir sollten eine kleine Pause machen. Bitte warten Sie draußen im Vorraum, während Carl die Hilfsmittel für sein Täuschungsmanöver entfernt. In ein paar Minuten kommen wir wieder zusammen, und dann werden wir wirklich mit der Anderen Seite in Kontakt treten.«
Jack folgte den Frauen in den Warteraum. Sobald die Tür sich hinter ihnen geschlossen hatte, hörte er Madame Pomerol sagen: »Was zur Hölle ist da gerade passiert?«
»Das wusste ich auch gerne«, erwiderte ihr Mann. »Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie …«
»Scheiß auf deine Vorstellung! Finde es heraus! Ich will wissen, was wirklich dahinter steckt, nicht was du dir verdammt noch mal vorstellst! Der technische Teil dieses ganzen Ladens ist dein Ressort, und offensichtlich hast du Mist gebaut!«
»Ich habe keinen Mist gebaut! Ich habe nichts verändert!«
»Aber irgendetwas wurde verändert. Finde raus, was!«
»Ich werde erst mal diesen
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