Hochgefickt
Hundeleine in der Hand hielt, die an dem mir angelegten Halsband befestigt war, während ich da mit verbundenen Augen auf allen Vieren rumkroch, wäre trotz aller Geschmacklosigkeit sicherlich auch noch irgendwie zu entschärfen gewesen. Aber die Tatsache, dass er (sobald ich die Augen verbunden hatte!) auf diesen Bildern plötzlich am rechten Hemdsärmel eine Armbinde mit Hakenkreuz trug … das hatte moralisch und medial absolutes Genickbrecher-Potential, und zwar ohne irgendeine Chance, diese Lawine desaströser Dynamik aufzuhalten, wenn sie denn durch Veröffentlichung losgetreten würde. Tom und Mike gelang es jedoch leider nicht, einen Blick zu erhaschen, denn der Sender-Sultan steckte die Fotos nach erneuter Sichtung rasch wieder in den Umschlag zurück, rieb sich in der Herzgegend rum, holte tief Luft und sah mir fest in die Augen, während er mit belegter Stimme artikulierte: »Da muss I mich wohl ganz herzlich bedank’n, dass’d die Negative, Gott sei Dank, verbrannt und mir jetzt die Abzüge g’geben hast, die einzigen, die’s gibt, gell…?« Ich hielt freundlich nickend den Blick und hob erwartungsvoll eine Augenbraue. Er fuhr fort in einem Tonfall, der so gepresst klang, als steckte sein Kehlkopf in einem Schraubstock: »Und desweg’n würd I mich fei doch sehr freu’n, dir bei deim neuen Projekt unter die Arme greif’n zu dürfen. Wie war der Name für die Umstandsmod’n-Firma no glei …?«
»FunnyBelly«, sagte ich strahlend. »Das find ich aber wirklich nett von dir, danke schön! Ich wusste doch, dass du ein netter Mensch bist!« Ich legte den Handrücken an meinen Mundwinkel und flüsterte ihm vertraulich zu: »Auch wenn du auf echt bizarres Zeug stehst, jungejungejunge …«, bevor ich die Hand wieder fortnahm und in normaler Lautstärke fortfuhr: »Deine Investition bei FunnyBelly wirst du auch ganz sicher nicht bereuen!« Wir machten gleich einen Termin in seinem Büro aus, um weitere Details seiner Unterstützung zu besprechen, dann verabschiedete er sich und verschwand zügigen, aber eindeutig wackeligen Schrittes.
»Was war das denn gerade?«, fragte Tom, als wir nur noch zu dritt am Tisch saßen.
»Echte Dankbarkeit«, erklärte ich selig grinsend. »Ach, habe ich euch eure Fotos gerade noch gar nicht gegeben?«
Damit übergab ich ihnen auch die beiden anderen Umschläge aus meiner Tasche, deren Inhalt natürlich weitaus konventioneller, im Vergleich zu den Fotos vom Sender-Sultan ja geradezu harmlos waren: Fotos von »ganz normalen« sexuellen Spielereien, die aber reichten, um als potentieller Vater weiterhin definitiv im Rennen zu sein, dazu ein bisschen Unterwäsche auf dem Kopf oder ein bisschen Koks gut sichtbar auf dem Tisch, so was halt. Jens hatte es sogar geschafft, Tom noch im wachen Zustand aktiv beim Koksen perfekt ins Bild zu kriegen.
»Diese elende Schwangerschaftsdemenz … man ist ja so vergesslich!«, sagte ich, während sie hektisch und durchaus auch entsetzt ihre Bilder ansahen, und trank mein Wasserglas leer. »Wie war das jetzt, hattet ihr beide euch eigentlich schon zu meinem Angebot geäußert … oder wollt ihr doch lieber den Vaterschaftstest machen?«
21
Spinning Wheel
(Januar – Ostersamstag 1998)
(what goes up – must come down …)
Die restlichen Wochen bis Ostern vergingen wie im Flug, was auch daran lag, dass es noch so wahnsinnig viel zu tun gab in Phase 2, vor und auch hinter den Kulissen. Wenn ich ehrlich bin, staune ich noch heute darüber, wie leicht die drei Herren sich täuschen ließen – der einzige, der nach diesem Essen beim Franzosen wenigstens versuchte, über Ralf für weitere Nachfragen an die Nummer des Privatdetektivs zu kommen, war Tom Kosly.
Jens hatte sich für diesen Fall extra ein Pre-Paid-Handy besorgt, und als Tom anrief, gab er sich nicht nur als »Branimir«, als Bruder des mittlerweile inhaftierten eigentlichen Handy-Besitzers Milan, sondern vor allem auch als Riesen-Fan von Tom Kosly zu erkennen: »Ah, Tom Kosly – kenne ich dich! Bist du der immer so Freche in TV – sehr lustitsch, hoho, ich große Fan, hoho! Die große Tom Kosly am Telefon von kleine Milan, ich glaub ja nicht – aber Tom, hattest du gehabt Gesicht kaputt letzte Jahr, was? Ich gelese in Zeitung – brauchst du gute Schutz vor verrückte Fans und Kollega! Ich bin Bodyguard – beste Bodyguard, die du kannst kriegen in ganze Deutscheland! Ich habe gekämpft für UCK, ich kann Arschelöcher mit bloße Hände … aber ich hab auch
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