Hochgefickt
-Zeitung anrufst, der soll in der Ambulanz Fotos von mir machen. Und du kommst auch mit! Ich werd Finn anzeigen, dieses Arschloch, den lass ich noch im Savoy verhaften, ich werde …!« – »Piiiiieeeep.« Aufnahmezeit vorbei.
Ich holte die Bild aus der Küche, rief in der Redaktion an und fragte mich durch zu David Cramer.
»Hallo, hier ist Lina Legrand«, sagte ich. (Aus Angst vor Telefonterror oder sonstigen Belästigungen durch eifersüchtige Psychisch -Fans hatte ich mir diesen Namen für die Öffentlichkeit gegeben, seit dem ersten Foto in der BRAVO. Französisch ausgesprochen hätte das vielleicht nach Pornostar geklungen, daher wählte ich die deutsche Aussprache. Das hörte sich nicht nur bodenständig und flüssig an, sondern es lenkte auch noch mehr von meinem richtigen Namen ab.)
»Die blonde Yoko Ono!«, rief er hocherfreut. Offensichtlich hatte er die Sendung auch gesehen. »Wie geil ist das denn, ich versuch gerade rauszukriegen, wo die jetzt gleich sind, und du rufst an!«
Ich jubilierte innerlich – nicht nur, weil ein Typ bei der Bild sofort wusste, wer am anderen Ende der Leitung war, sondern auch, weil mir auf einmal klar wurde, wie ich mich mit großem Trara bei Psychisch ausklinken könnte. Und zwar noch heute Abend. Einen eigenen Markennamen hatte ich ja dank Tom Kosly anscheinend schon.
»Sebi ist auf dem Weg ins Krankenhaus, Franziskus-Hospital.«
»Super, danke, ich fahr gleich los – bist du auch da für die Fotos?«, wollte er wissen.
»Nein«, sagte ich, »ich fahr direkt ins Savoy-Hotel.«
»Dann bis später.«
Ich war mir zwar nicht sicher, ob er sich meine Information gemerkt hatte, aber nach der Live-Schlägerei würde es ohnehin nicht lange dauern, bis die Reporter am Hotel auf Stellungnahmen lauern würden. Daher warf ich mir schnell was Hübsches über und bestellte ein Taxi.
Im Savoy begrüßte mich der Concierge (wir kannten uns, schließlich war es das Stammhotel der Jungs, wenn sie in Köln waren) und gab mir neben Sebis Zimmerschlüssel auch den Hinweis, dass der Rest der Band schon eingetroffen sei und man die Journalisten auf Ansage des Managements erst einmal abgewimmelt habe. Ich fuhr mit dem Aufzug in die dritte Etage und lauschte an Finns Zimmertür. Wie es schien, war er allein, denn ich hörte außer ihm niemanden fluchen, und so klopfte ich an.
»Wer ist da?«, brüllte er.
»Die blonde Yoko Ono«, sagte ich. Er schlurfte zur Tür und öffnete.
»Was willst du denn hier?«, fragte er sichtlich irritiert.
»Ich wollte schauen, wie es dir geht.«
Seine Irritation wurde nicht weniger: »Wie es mir geht?«
»Außerdem wollte ich dir sagen, wie unmöglich ich Sebis Verhalten finde«, sagte ich und fügte grinsend hinzu, » … und dass es mich daher ehrlich gefreut hat, als du ihm eine verpasst hast. Tut die Hand noch sehr weh?«
»Whiskyglas halten geht noch …«, gab er sich tapfer. »Willst du auch einen?«
»Gern«, sagte ich, und während er sich umdrehte und zur Minibar ging, hängte ich heimlich das »Bitte nicht stören!«-Schild raus, bevor ich die Zimmertür schloss.
»Wo ist Sebi?«, wollte er wissen, während er mir ein Glas zurechtmachte.
»Im Franziskus-Hospital.«
Kopfschüttelndes Auflachen, wenige Augenblicke später gab er mir meinen Drink und setzte sich mir gegenüber in den Sessel. »Und warum bist du nicht bei der Memme?«, fragte er.
»Ich mach Schluss mit Sebi.«
Ich hatte mit offenem Jubel gerechnet, stattdessen sah er mich argwöhnisch an. Auch wenn er mich nicht mochte, hatte er trotzdem mitbekommen, dass ich anscheinend für manche Dinge ein ganz gutes Gespür hatte.
»Die Ratten verlassen das sinkende Schiff?«, mutmaßte er, aber ich winkte ab und setzte zur Erklärung an.
»Sebi hat sich einfach total verändert in den letzten Wochen, und es fällt mir zunehmend schwer, ihn zu ertragen! Eine rein private Entscheidung also, aber was euch angeht, glaube ich nicht, dass das Schiff zwangsläufig sinken muss.« Ich sah ihn mit festem Blick an. Mein Vater hatte immer betont, wie wichtig ein fester Blick ist, »der vermittelt nämlich Autorität und Glaubwürdigkeit«, und genau das brauchte ich, wenn mein verwegener Einfall Erfolg haben sollte.
»Ihr macht seit Jahren zusammen Musik, ihr habt Hits, ihr seid ein gutes Team, und jetzt, wenn endlich der böse blonde Störfaktor wegfällt, startet ihr bandintern noch mal neu durch. Und genau so stellt ihr das auch nach außen dar: Ihr versöhnt euch öffentlich,
Weitere Kostenlose Bücher