Hochgefickt
harmonische Grundstimmung im anstehenden Weihnachtsurlaub mit meinen Eltern nicht gefährden wollte) »… und dann werde ich einfach mal schauen, was das Schicksal noch mit mir vorhat.«
An diesem Abend bedeutete das, mir Tom Kosly über den Weg laufen zu lassen, denn als ich später am Dessertbuffet stand, hörte ich ihn schräg links hinter mir Kontakt aufnehmen. »Jungejunge, schon der zweite Teller voll. Du haust ja richtig was weg! Hoffentlich hältst du dich wider Erwarten doch noch bis März in der Presse, sonst wird das mit meinem Wettgewinn ja ein teurer Spaß, Luder-Lina!«
»Dann spar schon mal!«, drehte ich mich grinsend in seine Richtung, und bevor ich mir demonstrativ einen Löffel Tiramisu in den Mund schob, fügte ich mit hochgezogener Augenbraue noch hinzu: »›Die blonde Yoko Ono‹ fand ich übrigens grandios. Schade, dass sich das nicht durchgesetzt hat.«
Er zuckte die Schultern. »Hat wahrscheinlich zu viele Buchstaben. Aber Luder-Lina klingt doch ganz griffig, da kannst du dich echt nicht beschweren. Hat sich denn das Unschuldsengelchen hier auf der Party schon ein neues Opfer ausgesucht?«
»So ticke ich nicht.«
»Ach komm, wo ist dein Ehrgeiz?« Er klang wirklich fast verärgert. »Du hast ’ne Wette am laufen, vergiss das nicht! Das ist mangelnder Sportsgeist, wenn du dich schon vor Ablauf der Zeit geschlagen gibst! Seit letzter Woche sind meine Quoten übrigens phantastisch, hab ich das schon erwähnt?«
»Gratuliere. Wurde aber auch dringend Zeit, was?« Nach den ersten Sendungen war er total runtergeschrieben worden, und die Quote war auch im kaum messbaren Bereich gewesen – ohne den Eklat hätte seine Sendung das neue Jahr keinesfalls mehr erlebt. Durch diese Spitze von mir fühlte er sich als Gegenspieler aber endlich wieder für voll genommen und hielt großspurig dagegen.
»Och, weißt du, wenn die Sendung gefloppt wäre, hätte ich das auch locker wegstecken können – ich bin so breit aufgestellt.«
Wenn ein Alpha-Männchen derart in Protzlaune kommt, sollte man das als Frau unbedingt fördern, denn dabei erfährt man meist bedeutend mehr als durch gezieltes Nachfragen. Es gibt zwei wunderbare Werkzeuge, um das Gegenüber anzustacheln, sich mal so richtig auf der Brust rumzutrommeln: »Sich doof stellen und anhimmeln« funktioniert recht zuverlässig, aber effizienter ist auf jeden Fall »spöttisch und skeptisch sein«. Das mögen die kleinen Silberrücken nämlich gar nicht und trommeln umgehend noch lauter – und weil ich auf Nummer Sicher gehen wollte, entschied ich mich bei Tom Kosly für einen Mix aus beiden Varianten: »doof und spöttisch«.
»Was heißt denn breit aufgestellt? Dass du so zugedröhnt bist, dass dir eh alles egal ist, oder wie meinst du das?«
Seinem Blick nach war er sich nicht ganz sicher, ob ich den Ausdruck tatsächlich nicht kannte, oder ob ich ihn einfach nur auf den Arm nahm. Also ging auch er auf Nummer Sicher: »Kennst du die Formulierung nicht, oder was? Breit aufgestellt heißt, dass man immer noch genug andere Eisen im Feuer hat, wenn ein Standbein weg bricht. Ich zum Beispiel, ich mache ja nicht nur Fernsehen, eigentlich komm ich ja aus der Werbebranche, und da hab ich sogar zwei eigene Firmen gegründet, die ganz gut laufen, verstehst du? Breit aufgestellt hat also mit zugedröhnt gar nix zu tun. Wie kamst du da eigentlich drauf?«
»Och, dir läuft’s gerade weiß aus der Nase«, behauptete ich, woraufhin er sich hastig meine Serviette nahm und damit hektisch in seinem Nasolabialbereich rumtupfte. Da war zwar überhaupt nichts zu sehen, aber seinem Verhalten nach hätte da offensichtlich sehr gut etwas sein können. Ein breites Grinsen über diesen Volltreffer konnte ich mir nicht verkneifen. »Nee, war nur Spaß, da ist gar nix«, beruhigte ich ihn höchst amüsiert, und während ihm klar wurde, dass ich ihn gerade richtig drangekriegt hatte, schob ich mit dem treuherzigsten Augenaufschlag, den zu heucheln ich in der Lage war, hinterher: »Ich kannte diesen Begriff einfach nicht. Hab ich wieder was dazugelernt.« Nämlich Wissen über seine wirtschaftlichen Hintergründe und über sein Verhältnis zu verbotenen Substanzen. Denn obwohl man im Showgeschäft einen lockeren Umgang mit Drogen jeder Art als durchaus üblich tolerierte, wurde der eigene Konsum trotzdem lieber im Verborgenen gehalten.
»Ich hab grad auch was gelernt«, sagte er in einem Tonfall, der echten Respekt gegenüber meinen trickreichen
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