Hochgefickt
Naiven fallen auf diese vermeintliche Nähe zur Macht rein. Sich mit Assistenten einzulassen in der Hoffnung, dadurch an den Chef ranzukommen, ist genauso doof, wie sich von den Roadies flachlegen zu lassen, weil die dafür versprechen, den Stars die willigen Mädels vorzustellen.
Abgesehen davon wäre sogar der Möbelhausmagnat selbst nicht wirklich interessant gewesen, ökonomisch gesehen. Schließlich hatte Ralf extra studiert, um als Fußballrentner keinen LottoTotoRennquintett-Kiosk eröffnen zu müssen. Da war er während seiner Karriere ganz sicher nicht am Posten des Stargastes bei Möbelhaus-Eröffnungen interessiert, wo ansonsten alternde Schlagerstars ihr Gnadenbrot fristen. Und so suchte ich erst mal die sanitären Anlagen dieser Veranstaltung auf.
Während ich vor einem der vielen Spiegel mit meinem Lipliner die Konturen nachzog, bemerkte ich, wie mich eine attraktive blonde Frau, Mitte oder Ende Dreißig, ausdauernd beobachtete. Nachdem ich mit den Restaurierungsarbeiten in meinem Gesicht fertig war und Richtung Ausgang ging, um mich weiter auf der Party herumzutreiben, sprach sie mich an.
»Die Freundin von Ralf Szibuda, stimmt’s?«
»Stimmt!«, sagte ich freundlich.
»Ich würde mich gerne mit Ihnen über Ralf unterhalten!«, teilte sie mir mit. »Sollen wir zusammen einen Drink nehmen? Weber ist mein Name!«
»Angenehm, Legrand!«, reagierte ich höflich, aber distanziert. Ich hatte nicht mal im Ansatz eine Vermutung, was sie wollen könnte. An der Bar bestellte sie uns zwei extrem alkoholische Getränke, drängte mich sehr, meins zu trinken, und begann dabei einen läppischen Smalltalk über mein tolles Outfit, meine Lippenstiftfarbe und ähnlich einlullenden Schnickschnack. Nach ein paar Minuten wurde mir die Honig-ums-Maul-Schmiererei zuviel, und ich erinnerte sie an den Grund für unser Gespräch: Ralf Szibuda. Sie blickte sich um, ob jemand in Hörweite war, dann begann sie in verschwörerischem Ton, mir ein Angebot zu unterbreiten.
»Frau Legrand, ich will ganz ehrlich sein: Es ist ja ein offenes Geheimnis, dass Ralf Szibuda schwul ist, aber niemand hat das jemals öffentlich ausgesprochen und zugegeben. Ich arbeite bei einer großen Illustrierten und habe beste Kontakte in die Wirtschaft. Wenn Sie als seine Freundin mir helfen, Ralf Szibuda endlich zu outen, ist mir diese exklusive Story 50 000 DM wert. Darüber hinaus sorge ich dafür, dass Sie von einer renommierten Agentur als Model unter Vertrag genommen werden. Kommen wir ins Geschäft?«
Mir fiel fast der Cocktail aus der Hand, und ich sah sie durchdringend an. Der Modelvertrag erschien mir äußerst unrealistisch, ich war zwar eitel, aber nicht doof. 50 000 DM hingegen waren verdammt viel Geld, um genau zu sein das Doppelte dessen, was mir vertraglich für zwei Jahre als Alibifreundin zugesichert worden war.
Trotzdem hörte ich auf mein Bauchgefühl und reagierte so, wie ich es als moralisch richtig empfand: Ich streckte meine Wirbelsäule und bewies Rückgrat.
»Frau Weber, Ihr Angebot klingt natürlich erst mal sehr attraktiv, aber ich weiß nicht, wo Sie Ihr angeblich offenes Geheimnis her haben.« Dabei musterte ich sie abschätzig, und ihr süffisantes Grinsen ließ mich wirklich sauer werden. »Vielleicht sind Sie ja sogar selbst eine dieser Frauen, die bei Ralf nicht landen konnten und aus Frust darüber unverschämte Lügen verbreiten. Aber: Ich habe mit Ralf Szibuda den großartigsten Sex, den man sich als Frau nur wünschen kann, und wenn Sie mit Ihrem Blatt eine skandalöse Enthüllungsstory suchen, sind Sie bei mir definitiv an der falschen Adresse. Von welcher Illustrierten waren Sie gleich noch mal?«
Ihr war anzusehen, dass sie mit dieser Reaktion nicht gerechnet hatte, und versuchte es erneut. »Der Szibuda muss Ihnen aber eine Menge zahlen. Also wie viel wollen Sie? 70 000?«
Passend zur Sommerpartydeko hatte sie mich jetzt echt auf der Palme. »So, Frau Weber, ich will jetzt sofort Ihren vollständigen Namen und den Ihres Magazins haben. Das ist eine unglaubliche Unverschämtheit, die Sie hier abziehen! Und ich schwöre Ihnen: Wenn Sie anfangen sollten, solche dreisten Lügen öffentlich zu verbreiten, werden Ralf und ich Sie so was von verklagen, dass Ihr Blatt Konkurs anmelden kann und Sie nicht mal mehr als Tippse bei der Bäckerblume unterkommen! Hab ich mich klar ausgedrückt?!«
Zu meiner großen Überraschung strahlte sie mich an: »Oh ja, Lina, und wie! Klarer geht’s nicht! Du hast ja keine
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