Hochgefickt
Ex-Freund von Sabine produziert einen Piloten, wo ich als Gast sitzen soll.«
Ich kannte Piloten nur in Flugzeugen, dementsprechend irritiert war ich: »Was für ein Pilot?«
»Irgendein neues Erotik-Magazin, das um 23 Uhr im Fernsehen laufen soll. Die testen da ihre drei Favoritinnen für die Moderation unter Realbedingungen, und dafür bin ich dann der prominente Studiogast. Aber diese Pilotsendung wird eh nicht gesendet, sonst würde ich das ja momentan gar nicht machen. Sabine sagt, du sollst da unbedingt auch mit hinkommen.«
Damit wusste ich nicht nur, was unter dem Begriff Pilot außer dem Flugzeuglenker sonst noch gehandelt wurde – ich hatte auch endlich mal wieder einen richtig guten Anlass, mein enges rotes Satinkleid aus dem Schrank zu holen.
»… und du sollst bei dem Termin auf jeden Fall an deine Markenzeichen denken, meinte sie noch!«, schloss er, und ich musste grinsen: »Na, was für ein Glück, dass die eh festgewachsen sind, hm?!«
Der Pilot wurde in einem eigens dafür dekorierten Studio vor den Toren Kölns produziert. Wenn man durch die Eingangstore der Halle trat, hatte man zuerst den Eindruck, in einer riesigen Messehalle zu stehen. Wenn man aber am Ende der nur drei Meter hohen Spanplattenwand nach rechts abbog, stand man plötzlich mitten in einem 60er-Jahre-Puff: wild gemusterte Brokattapeten, kleine Lämpchen mit Fransenschirm, ein pinkfarbener Flokatiteppich, und das alles gekrönt von zwei violett gepolsterten Chaiselongues mit vergoldeten Holzrahmen.
Dazwischen wuselten wahnsinnig viele Gestalten rum, die sich alle scheinbar um irgendwas total Wichtiges kümmerten. Ich wusste zwar von den Presseterminen und Videodrehs mit Psychisch , dass bei Medienveranstaltungen immer wahnsinnig viele Leute rumstehen, deren Nutzen und Aufgaben sich dem Betrachter selbst bei genauem Hinsehen nicht erschließen, aber im Fernsehbereich hatte das offensichtlich noch mal ganz andere Dimensionen.
Fernsehleute haben nämlich ein sehr spezielles Selbstverständnis, das unabhängig von ihren tatsächlichen Fähig- oder Tätigkeiten lautet: »Ohne mich geht hier gar nichts.« Das ist ein wirkliches Phänomen. Egal ob Beleuchter, Ausstatter, Büglerin, Kameramann, Komparsenbetreuer, Aufnahmeleiter, Caterer, Tonleute, Redakteure, Maskenbildner, Bildmischer, Regisseur, Produzent oder auch die jungen Männer, die Kabel und Lampen hin- und herschleppen, weil den Job am Autoscooter schon ein anderer Tätowierter mit Edwin-Jeans hat, alle eint der gleiche Blickwinkel: Bei dem aktuellen Projekt sind nur unfähige Pfeifen am Start, zu langsam, zu faul, zu unorganisiert, zu begriffsstutzig, zu jammerig, und das gilt ausnahmslos für alle – außer natürlich für einen selber, denn ohne die eigene, herausragende Leistung wäre der ganze Murks sowieso schon längst vor die Wand gefahren.
Damit durch ein sichtbares Wichtigkeitsgefälle so richtig gute Laune aufkommt, kriegt jeder zweite von denen dann auch noch ein Walkie-Talkie, je nach Rang sogar mit Headset, und dann wird munter die Umgebung mit unnötigem Funkverkehr akustisch verseucht, während parallel dazu gelästert wird, was das Zeug hält.
Das war zumindest der Eindruck, den ich in den vier Stunden dieses Pilot-Produktions-Spektakels gewann – und ich fühlte mich direkt zu Hause. Mit der überspannten Grundstimmung auf diesem Jahrmarkt der Eitelkeiten kam ich nämlich prima klar, denn im Prinzip war es nichts anderes, als der Mikrokosmos unseres Landkreises im Brennglas von Renates Frisierstübchen. Gut, wir hatten keine Walkie-Talkies, aber den Rest konnte ich doch besser einschätzen und handhaben, als ich vorher zu hoffen gewagt hätte.
Beim Fernsehen ist es nämlich genau wie im Friseursalon oberstes Gebot, gut Wetter zu machen, wenn man erfolgreich agieren möchte: hier ein kleines Kompliment, da ein freundliches Lob, ein bisschen Anerkennung, eine Prise Bewunderung und individueller Zuspruch – und schon kann man Leuten gezielt zu ihrem vermeintlich Besten helfen. Wichtig ist dabei jedoch, den richtigen Ansatzpunkt zu finden, denn diese Taktik funktioniert nur, wenn die Leute das Gefühl haben, dass sie selbst Urheber der glorreichen Idee sind, die man ihnen subtil angetragen hat.
Nachdem ich beispielsweise beim Filterkaffee im Pausenraum gegenüber dem tuntigen Maskenbildner meine Bewunderung geäußert hatte, wie wunderwunderschön die drei Moderatorinnen zurechtgemacht waren, bedauerte ich lautstark, dass man mein
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