Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Hochgefickt

Titel: Hochgefickt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nathalie Bergdoll
Vom Netzwerk:
Ahnung, wie mich das freut!«, sagte sie in fast jubelndem Ton, umarmte mich übermütig und drückte mir einen dicken Schmatzer auf die Wange. Nach einem knappen Jahr im Medienzirkus hatte ich ja schon einige Irre erlebt, aber Frau Weber verdiente sich hier gerade ziemlich klar Platz 1. Dementsprechend verstört sah ich sie an.
    »Ich bin Sabine Weber, geborene Szibuda! Ich bin Ralfs Schwester, und der Vertrag, den du unterschrieben hast, den hab ich aufgesetzt, verstehst du? Ich hab das ja alles für eine totale Schnapsidee gehalten, aber offensichtlich hatte Ralf recht mit seiner Wahl. Du bist tatsächlich loyal! Und du hast echt schauspielerisches Talent, das war total glaubwürdig gerade …« Sie plapperte gutgelaunt auf mich ein, während ich merkte, wie mir ein bisschen schwindelig wurde. Wenn das stimmte, was sie sagte, hatte ich wohl einen harten und gemeinen Test bestanden – wenn das nicht stimmte, lockte mich gerade jemand tierisch aufs Glatteis.
    »Können Sie sich bitte ausweisen?«, unterbrach ich sie daher kühl.
    Sie lachte, kramte in ihrer Tasche und murmelte dabei gutgelaunt Dinge wie »Richtig viel Hirn im blonden Köpfchen«, dann legte sie ihren Ausweis auf den Tisch und sortierte dazu zwei Fotos aus ihrem Filofax: Ralf mit zwei Säuglingen auf dem Arm neben ihr und einem älteren Ehepaar sowie ein rot-gelb-stichiges Foto, auf dem Ralf mit Brille und Schultüte vor einem großen Backsteingebäude posierte, während die große Schwester im Teenageralter am Bildrand genervt unter ihrem Mittelscheitel hervorlinste.
    Ich sah mir das alles in Ruhe an, dann wurde ich auch freundlich und lächelte sie an. »Hallo Sabine,« sagte ich ruhig, »schön, dich kennenzulernen – aber das war gerade wirklich ’ne ganz schön miese Nummer!«
    Sie lächelte zurück. »Ich weiß, tut mir auch leid, aber das musste einfach sein – ich muss doch gut aufpassen auf meinen kleinen Bruder!«
    »Weiß der von deinem kleinen Test hier?«, wollte ich wissen.
    »Nein, das war ganz spontan«, antwortete sie. »Ich wusste gar nicht, dass du auch hier sein würdest, ich hab Ralf seit zwei Wochen nicht gesprochen.«
    »Wieso bist du denn dann überhaupt hier auf der Party?«
    Sie lachte verlegen. »Ach, weißt du, als der Sender ganz neu war, hab ich mir während des Studiums ein bisschen was nebenher verdient. Da hab ich für die im Sportprogramm so ein paar Kleinigkeiten angesagt, und zum Jubiläum haben die halt alle eingeladen, die in den letzten Jahren hier gearbeitet haben!«
    Mein Hirn arbeitete fieberhaft, schließlich kannte ich eine Menge Moderatoren, aber eine blonde Sabine hatte ich auf diesem Kanal nie gesehen. »Zu der Zeit hatte ich aber noch feuerrot gefärbte Haare«, schob sie nach, und das war der fehlende Hinweis, mit dem ich sie endlich einsortieren konnte.
    »Das Feuer-Bienchen!«, rief ich, und sie nickte lachend. Nachdem wir die folgende Viertelstunde sehr nett miteinander geplaudert hatten und auch der Cocktail zu wirken begann, bewegte sich auf einmal ein älterer Herr zielstrebig auf uns zu.
    »Das ist der Chef hier!«, zischte sie mir zu. Das war zwar sehr fürsorglich, wäre aber gar nicht nötig gewesen, denn wer den nicht kannte, musste die vergangenen zehn Jahre in einem Erdloch ohne Presse und TV verbracht haben. Weil mein Schicksal mir in dieser Zeit aber kein Erdloch, sondern mediale Rundumversorgung im Salon Renate beschert hatte, wusste ich, dass es in dem Moment definitiv kein Fehler sein konnte, Hintern und Oberweite schön ordentlich rauszustrecken, scheinbar gedankenverloren eine Haarsträhne um meine Finger zu kringeln und mit grotesk geschürzten Lippen an meinem Strohhalm zu nuckeln. Einer der Sonnenkönige des Privatfernsehens walzte gerade in meine Richtung, und diese Chance wollte ich mir nicht entgehen lassen. Er offensichtlich auch nicht.
    Damals hatte ich noch die blauäugige Vorstellung, dass sich Stil und gute Manieren proportional zu Status und Macht entwickeln, aber de facto ist das Gegenteil der Fall: Aus einem ungehobelten Bauern mit einem Repertoire an Anmachsprüchen, die sich auf dem Niveau eines Kegelclubs am Ballermann bewegen, wird in einer einflussreichen Position auch kein angenehmer Gentleman, sondern meist ein völlig ungebremst unter die Gürtellinie kalauerndes Dumdumgeschoss.
    Im akuten Fall war das ähnlich. Denn wenn die Willkür des Sonnenkönigs jederzeit Köpfe rollen lassen konnte, wer sollte sich dann trauen, ihm Grenzen aufzuzeigen? Nur

Weitere Kostenlose Bücher