Hochgefickt
sehr außergewöhnlich. Warum er sich mit einem solchen Talent trotzdem »nur« als Standfotograf bei Filmproduktionen durchschlug, war mir ein Rätsel.
»Habe ich für die Offiziellen also wieder mal den Segen der heiklen Diva?«, fragte er grinsend und packte dabei die mitgebrachten Fotos zurück in seine Mappe. »Auf jeden Fall! Auch wenn ich irgendwie froh bin, dass ich nicht tatsächlich so toll aussehe wie auf deinen Fotos«, schob ich zwinkernd nach. »Sonst würde ich mich ja gar nicht mehr wegbewegen vom Spiegel …«
Er winkte ein bisschen verlegen ab – ich war irritiert, denn auf solche Vorlagen reagierte er sonst immer mit herrlich frechem Gefoppe. Nun aber begann er, seltsam unsicher herumzudrucksen.
»Lina, da ist noch was … Wie fang ich das jetzt am besten an …? O.K., pass auf, das vorneweg: Ich will auf keinen Fall, dass du dich irgendwie angegriffen, vorgeführt oder sonst was in dieser Art fühlst, und ich verspreche dir, dass ich wirklich nichts ohne dein Einverständnis tun werde, also flipp jetzt gleich bitte nicht aus.«
Diese Einleitung hörte sich irgendwie gar nicht gut an, und ich fragte mich, ob die Feierabend-Tüte sich jetzt rächen würde, die ich am vorletzten Abend in Prag nach Drehschluss mit ihm auf meinem Hotelbalkon geraucht hatte – wobei selbst das ihn nicht aus seinem netten, stubenreinen Nur-Flirten-Modus gebracht hatte. Doch wenigstens waren wir uns im angerauchten Zustand verbal nah gekommen. Jetzt wusste ich immerhin, dass er hetero war und darüber hinaus leider zusätzlich moralische Prinzipien hatte: »Ja, ich bin Single, und du, du bist echt ein knackiger Männertraum, Lina, ehrlich! Aber trotzdem, ich könnte Ralf Szibuda doch niemals Hörner aufsetzen! So einem Fußballhelden, dem kann man doch nicht die Frau ausspannen – selbst wenn man Schalker wäre: Seit der EM geht das einfach nicht mehr!« Männer und Fußball …
Durch hochgezogene Augenbrauen signalisierte ich ihm gespannte Aufmerksamkeit, und er fuhr fort: »Also, im Juli beende ich offiziell mein Studium an der Hochschule für Künste in Amsterdam mit einer eigenen Ausstellung.«
Damit wusste ich zwar schlagartig, wieso er in Prag so gutes Gras mitgehabt hatte, der andere Teil der Info irritierte mich jedoch, und ich hakte nach: »Wie – beende ich mein Studium? Und was für eine Ausstellung?«
Er setzte zur Erklärung an. »Parallel zum Geldverdienen als Standfotograf studiere ich seit vier Jahren in Holland. Das lässt sich halt ganz gut kombinieren, weil das ein sehr praxisorientiertes Studium ist. So, und wenn ich da jetzt endlich mal mein Diplom als Fotokünstler haben möchte, muss ich neben diversen Prüfungen als Abschlussarbeit auch noch eine Ausstellung mit meinen Bildern auf die Beine stellen. Der Titel wird ›Potemkinsche Dörfer‹ lauten.«
»Waren das nicht diese Prachtbauten, die aber in Wirklichkeit nur aus Fassaden bestanden?«, hakte ich nach. Jens nickte und schien irgendwie irritiert, dass ich den Begriff kannte.
»Äh, ja, genau, nur bei mir liegt der Schwerpunkt eher auf dem Hinter -die-Kulissen-blicken-Effekt …«
»Super, das hört sich doch total spannend an, das würde ich mir gerne angucken kommen! Wann genau ist das im Juli?«, fragte ich und fing an, in meiner Tasche nach meinem Filofax zu kramen. Während ich wühlte, fiel mir auf, dass ich vor lauter Begeisterung darüber, endlich mal nach Amsterdam zu kommen und zusätzlich dort eine feine Möglichkeit zu haben, Jens außerhalb der Dreharbeiten anflirten und ihm endlich seine moralischen Bedenken austreiben zu können, ganz vergessen hatte, nach Details zu fragen – warum er so rumgedruckst hatte und was für Motive die Bilder zeigten beispielsweise.
Als ich den Blick wieder aus den Tiefen meiner Tasche hob, sah ich in sein ernstes Gesicht. »Du musst dir das bitte schon vor her angucken, Lina, ich werde nämlich keine Bilder ohne Zustimmung vergrößern und ausstellen. Wenn du Nein sagst, ist das wirklich völlig O.K. – aber es wäre ein Jammer, deine Fotos sind nämlich ehrlich gesagt mit die besten …« Damit schob er mir einen Stapel Fotos zu.
»Die Doppelbilder werden für die Ausstellung auf eine Größe von 120 x 80 cm gezogen. Außer den Motiven mit dir habe ich noch insgesamt zwanzig bis fünfundzwanzig andere Bilder, die zeig ich dir natürlich noch, damit du auch von dem Gesamtkonzept einen zuverlässigen Eindruck erhältst …«, hörte ich ihn wie durch Watte plappern, doch ich
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