Hochsaison. Alpenkrimi
Sie halt was vor. Da, vor Ihnen, da liegt die Lokalzeitung.«
»Feiger Mordanschlag im Kurort … der allseits bekannte Musiker … auf dem Heimweg … die Zither, die mit drei Millionen Euro versichert sein soll … gestohlen … Schuhe und Socken im Gebüsch … . unverkennbar die Handschrift des Serientäters … genügt das?«
»Von mir aus.«
»Fertig?«
»Nein, Moment mal!«
»Was ist denn noch?«
»Ich brauche noch etwas ganz Lautes und etwas ganz Leises.«
» OAAAAAARG ! Das war das Laute.«
»Das habe ich gemerkt, dass das nicht das Leise war. Jetzt das Leise.«
»Wie leise?«
»So leise, dass ich es fast nicht mehr höre.«
»Ich weiß ja nicht, wann Sie fast nichts mehr hören.«
(Ein Mikrophon pfeift.)
57
»In nomine patris et filii et spiritus sanctus –«, psalmodierte der Pfarrer und steckte das kleine Holzkreuz auf das Grab. Es war ein strahlend schöner Tag, und der Friedhof war total überfüllt. So einen Andrang hatte Jennerwein nicht erwartet, er hatte für eine ergiebige Observation der Trauergäste eigentlich viel zu wenig Beamte. Viele Freunde vom Zither Beppi waren gekommen, viele Musikerkollegen, natürlich auch die weit verzweigte Verwandtschaft, dazu eine stattliche Zahl von Prominenten, Großkopferten und anderen
busybodies
, die zum Teil rund um den Erdball geflogen waren, um dem Werdenfelser Original die letzte Ehre zu erweisen – und sich, wenn sie schon mal da waren, danach das Military-Paragliding anzusehen.
»Er war auf dem Heimweg von seiner Arbeit«, begann der Pfarrer seine Leichenrede. »Auch an diesem seinem letzten Tag hat er sicherlich vielen Menschen das Herz erwärmt, mit seinen Liedern, mit seinen zarten Silberklängen, die wir alle noch im Ohr haben. Er hat sein Tagwerk getan, er wollte sein müdes Haupt auf das wohlverdiente Ruhekissen senken. Was wird er da wohl gedacht haben, als er durch den herrlichen, mondbeschienenen Forst schritt, unser geliebter Bruder Josef Fischer vulgo Zither Beppi? Ich sehe ihn vor mir –«
»Sprechprobe, Sprechprobe, hören Sie mich, Stengele?«
»Ja, ich höre Sie. Was ist?«
»Ich wollte bloß testen, ob die Mikros funktionieren.«
»Und wie muss er erschrocken sein, der brave Waldläufer, als er dem Mordbuben Aug in Aug gegenüberstand –«
Der Pfarrer machte jetzt eine kleine Pause, damit sich jeder die Szene auch gut vorstellen konnte. Wenn man den Blick erhob
und ein wenig herumschaute, konnte man Marianne und Michael in der Menge sehen, zwei Brauereidirektoren, Pierre Brice, eine
Handvoll bayrischer Minister. Ganz hinten stand Beckenbauer, allein und im schwarzen Anzug, eine kalte Zigarre in der Hand.
Der Kaiser konnte sich das erlauben.
»Eine Zithersaite war sein Verhängnis«, fuhr der Pfarrer fort, »seine Melodien sind für immer verstummt. Er ist der Hand des Unholds zum Opfer gefallen, der uns schon so viel Kummer und Sorgen bereitet hat in unserer schönen Gemeinde.«
Wieder machte der Pfarrer eine Pause, ließ die Raben hoch droben auf den Bäumen auskrächzen, er ließ ein paar Raucher aushusten.
»Schön redet er, unser Pfarrer«, sagte ein wohlbeleibter Mann ganz in Schwarz zu seiner Frau.
»Hä?«, schrie die Frau und hielt sich die Hand ans Ohr.
» SCHÖN REDET ER , UNSER PFARRER !«, schrie ihr der wohlbeleibte Mann in die Handmuschel, dass die Raben erschrocken aufflogen. Der Pfarrer aber hatte es gehört und lächelte zufrieden.
Dann waren eilige Schritte auf dem Kies zu hören: noch ein Minister, noch eine Jodelkönigin, noch eine Olympiazweite. Und immer wieder Personenschützer. Die hatten hier auf dem Friedhof überhaupt keine Chance, in Deckung zu bleiben, die bulligen Gestalten in den geschmacklosen schwarzen Anzügen stachen aus den übrigen Friedhofsbesuchern deutlich heraus. Manchem stand die Uzi so weit vom Körper ab, dass er genauso gut sein Jackett hätte ausziehen können, um die ganze Pracht herzuzeigen. Von allen Seiten kamen die Trauergäste, denn dieser Friedhof hatte unüberblickbar viele Eingänge, auf
der Ostseite schloss er sogar an einen struppigen Forst an, der direkt auf die Kramerspitze führte.
»Hören Sie mich? Hubertus, hören Sie mich?«
»Ja, natürlich höre ich Sie, Stengele.«
»Da haben wir uns ja ein total unübersichtliches Gelände ausgesucht.«
»Gehen Sie in Richtung Südeingang, Stengele. Dort kommen noch ein paar interessante Nachzügler.«
Die interessanten Nachzügler bestanden aus der Raskolnikoff-Gang samt Oberstudienrätin
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