Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Hochsaison. Alpenkrimi

Titel: Hochsaison. Alpenkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
Vom Netzwerk:
machen Sie schnell, ich bin in großer Gefahr.«
    Große Fragezeichen in den Augen des einzigen Gendarms in der kleinen Gendarmerie, der da hinter seinem übervollen Schreibtisch saß und äußerst übellaunig wirkte.
    »Was woll’ns?«
    »Hier ist mein Personalausweis. Ich ganz allein bin verantwortlich für die Anschläge drüben im Loisachtal. Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen Details geben, später. Und ich habe gerade eine Frau –« Er brach ab.
    »So sehen Sie aus«, sagte der Gendarm.
    »Wie sehe ich aus?«
    »Als ob sie ein wahn-sin-nig gefährlicher Verbrecher sind.«
    »Bitte nehmen Sie mein Geständnis auf. Die Details nenne ich Ihnen später.«
    »Schaun’s: Wenn Sie jetzt heimgehen, dann vergessen wir zwei die ganze Geschichte. Dann vergesse ich Sie und Sie mich. Wir haben hier anderes zu tun. Wissen Sie, was da drüben über der Grenze grade los ist? Wir müssen hier Bereitschaft schieben, bloß weil ein Idiot die deutschen Behörden an der Nase herumführt. Die Deutschen bekommen das nicht in Griff – und jetzt kommen Sie, und nerven noch extra?«
    »Kommissar Jennerwein!«
    »Was ist mit dem?«
    »Ich kenne ihn, rufen Sie ihn bitte an. Ich bin der Attentäter, den er sucht.«
    »Lieber Herr. Was meinen Sie, wie viele Spinner heute schon angerufen haben und genau das gesagt haben? Dass sie der Attentäter sind!«
    »Das sind die Trittbrettfahrer. Die reaktiven Psychotiker. Ganz normal. Ich aber –«
    Er ging um den Schreibtisch des Gendarmen herum.
    »Halt, was machen Sie da!«
    »Wenn es nicht anders geht.«
    »Bleiben Sie mir vom Leib.«
    »Tut mir leid –«
    Er holte aus und gab dem Polizisten eine schallende Ohrfeige. Der verdutzte Gendarm hielt sich die Wange, dann ging alles sehr schnell. Widerstandslos ließ sich der Angreifer abführen, und schließlich fand er sich in der Einzelzelle der Gendarmerie wieder.
    »Kann ich Papier und Bleistift haben?«
    »Ja freilich, der Herr! Vielleicht noch ein Paar Ärmelschoner, ein Tasserl Kaffee? Etwas Gebäck?«
     
    Die letzten Worte hatte der Tiroler Gendarm nicht gesagt, er hatte sie geschrien. Und es war auch das Letzte, was der Gefangene von dem Gendarmen hörte. Danach knallte die Zellentüre zu. Irgendwann in der Nacht fand er einen Bleistiftstummel hinter der Pritsche.
Lieber Herr Kommissar
, schrieb er an die Wand,
lieber Herr Kommissar Jennerwein, bitte kommen Sie! –
Er schrieb so lange, bis der Bleistiftstummel zu Ende war.

62
    »Bitte nennen Sie uns Ihren Namen und Ihren Wohnsitz.«
    Wong schwieg, er verzog nicht einmal den Mund. Er schien den Fragen der Beamten aufmerksam, sogar freundlich zu folgen, doch
     er schwieg. Jennerwein seufzte.
    »Warum haben Sie behauptet, Einwohner dieses Ortes zu sein?«
    Schweigen.
    »Warum haben Sie behauptet, Einwohner dieser Gemeinde zu sein?« (
Szroczcki, Verhörtechniken, S. 27, »Dieselbe Frage mit einer kleinen unbedeutenden Veränderung«
)
    Schweigen.
    »Verraten Sie uns bitte Ihre wahre Nationalität.«
    Schweigen.
    »Wie dürfen wir Sie nennen? Es muss nicht Ihr wirklicher Name sein!« (
Szroczcki, S. 27, »Scheinbares Entgegenkommen«
)
    Schweigen.
    »Wären Sie einverstanden damit, uns eine Schriftprobe zu geben?«
    Verwunderter Blick. Schweigen.
     
    »Rauchpause.«
    Das Team sammelte sich draußen auf der Terrasse. Auch Nicole Schwattke war dabei, sie hatte sich nicht dazu überreden lassen können, ein paar Tage freizunehmen.
    »Freinehmen? Wegen der kleinen Platzwunde? Wegen dem kleinen Schnitt?«, hatte sie gesagt. Sie hatte tatsächlich nicht mehr als eine kleine Platzwunde am Kopf und einen schmerzhaften, aber ungefährlichen Schnitt an der Handwurzel davongetragen. Auch psychisch ging es ihr gut. Das behauptete sie jedenfalls: Der kurze Blick ins Reich der Toten hatte keine spürbaren Traumata bei ihr zurückgelassen. Hubertus Jennerwein akzeptierte das. Dr. Maria Schmalfuß hatte da ihre Zweifel. Aber auch sie musste es akzeptieren, dass es so etwas wie die psychologisch noch wenig klassifizierte Spezies der Dickköpfe gab.
    »Ich glaube nicht, dass das da drinnen unser Mann ist«, sagte Maria. »Er passt schon deswegen nicht ins Profil, weil sich der Marder, wie wir ihn bisher kennengelernt haben, mehr produzieren würde. Er würde mit seinen Taten angeben, er würde uns als unfähigen Chaotenhaufen beschimpfen. Oder das genaue Gegenteil: Er würde alles entrüstet von sich weisen und uns ebenfalls als unfähigen Chaotenhaufen beschimpfen. Dieser Mann hier ist mir einfach zu

Weitere Kostenlose Bücher