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Hochsaison. Alpenkrimi

Titel: Hochsaison. Alpenkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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Marder sprang vom Stuhl und rannte los. Er stieß Shan dabei unsanft zur Seite, sie strauchelte, kam aber auf die Füße. Hustend schlingerte und taumelte sie durchs Zimmer und rempelte gegen die Regale. Er lief zum Bullerofen und griff sich den zweiten, heißglühenden Schürhaken. Als er sich umdrehte, erwartete er, dass sie im vollen Lauf auf ihn zu käme, er packte den Haken schon fester, um mit ihm auszuholen und sich so zu verteidigen. Doch die Frau lag in einiger Entfernung auf dem Boden, sie lag auf dem Rücken und war mit dem Kopf auf einer eisernen Handwerkskiste aufgeschlagen, die er schon lange hatte wegräumen wollen. Aus ihrem Hinterkopf tropfte es, und unter ihr bildete sich eine Blutlache.

60
    Das Sanitätsauto kurvte mit quietschenden Reifen über den sauber geharkten Kies des Viersternefriedhofs, da und dort musste der Fahrer erschrockenen Friedhofsbesuchern ausweichen, der Wagen pflügte über jahrhundertelang ausgetüftelte Grabbepflanzungen. Der Sanka plättete die Begonien, Katzenpfötchen, Marokko-Kamillen und Zwergmispeln zu einem floralen und ganz und gar pietätlosen Matschbrei, kam endlich vor dem Grab des alten Fetzer Egon an – Hansjochen Becker hatte den Fahrer gut geleitet. Drei Männer in grellen Warnwesten sprangen heraus. Auf dem Kiesweg lag ein beleibter Mann, ohnmächtig, mit aufgerissenem Mund. Seine Begleiterin, die über ihn gebückt war, schien mit ihren schreckgeweiteten Augen der Ohnmacht ganz nahe zu sein und musste sich am Bauch des Daliegenden festhalten.
     
    Die beiden schockstarren Friedhofsspaziergänger hatten zwei Männer und eine Frau gesehen, die wie verrückt gewordene Hunde in einem frischen Grab gebuddelt hatten. Die spindeldürre Frau und der große, vierschrötige Mann waren bald außer Atem, sie japsten und keuchten und hielten sich stöhnend die Flanken. Der Dritte, ein unscheinbarer Beamtentyp, grub zielstrebig weiter, abwechselnd mit einer kurzen Schaufel und mit den bloßen Händen. Die Gesänge des Voralpenchors in der Ferne waren längst verstummt, die Wolken über dem Gottesacker hatten sich verdüstert. Dann, plötzlich, ein einziger Aufschrei aus drei Kehlen. Ein schwarzer Schuh ragte
aus der Erde, ein Fuß ragte aus dem Grab. Die drei Berserker legten jetzt den Fuß frei, sie ließen nicht locker, sie schrien sich Mut und Ausdauer zu. Von allen Seiten des Friedhofs eilten erschrockene Trauergäste herbei, die sehen wollten, was um Gottes Willen da geschehen war. Jetzt packte der Unscheinbare zu, er zog und ruckte an den Beinen, die inzwischen zum Vorschein gekommen waren, die anderen buddelten immer noch weiter und weiter. Und dann der unerhörte Anblick: Er zog einen leblosen Körper aus dem Grab heraus! Der wohlbeleibte Mann fiel bei diesem Anblick in Ohnmacht, die Frau mit dem Hörgerät erlitt einen polytraumatischen Schock. Der Anblick war so gruselig, dass die ersten Trauergäste, die der Szenerie schon nahe gekommen waren, erschrocken zurückwichen. Einige bekreuzigten sich, andere standen mit offenem Mund da. Die drei schmutzstarrenden und blindwütigen Buddler zogen und zerrten weiter, bis eine junge Frau mit blutverschmiertem Kopf ans Tageslicht kam. (Dieses Blut gab der morbiden Szene makabererweise wieder etwas Lebendiges, Hoffnungsvolles.) Nun aber versuchten sich die drei Grabräuber abwechselnd in atemeinhauchenden Todesküssen und anderen wiederbelebenden Maßnahmen. Mit Erfolg – die junge Frau schlug die Augen auf. Sie hustete. Sie würgte und spuckte, aber sie lebte! Die Menge stöhnte auf. Der Unscheinbare wischte ihr mit dem Taschentuch eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Klatschten da nicht sogar einige der Umstehenden? Murmelte die Untote da nicht etwas? Diejenigen, die in der vordersten Reihe standen, bekamen einige Worte mit:
    » … Glück gehabt … Da unten aufgeschlagen … mit dem Kopf durch ein Brett … etwas Luftvorrat … sonst erstickt … «
     
    Die Sanitäter stürzten sich auf Nicole. Doch die winkte ab. Sie richtete sich auf. Sie schüttelte sich. Und in der Tat hatten die Sanitäter bei ihr nur eine stark blutende, aber sonst harmlose
Platzwunde an der Stirn zu versorgen, die sie sich zugezogen hatte, als sie mit dem Kopf das morsche Brett dort unten durchschlagen hatte. Auch die Schnittwunde an der Handwurzel war bald verbunden. Kaum war die letzte Halteklammer gesetzt, stand Nicole auf und atmete tief durch.
    »Habt ihr ihn?«
    Stengele, Maria und Jennerwein lagen japsend im Gras. Sie konnten nur nicken

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