Hochsaison. Alpenkrimi
Skistadion war, das war dieser – Moment – Fischer Beppi, der Zitherspieler, der hat aber im VIP -Bereich, in dieser total abgeschotteten Lounge, Musik gemacht.« Nicole Schwattke zog die Augenbrauen hoch. »Als ich ihn nach Zeugen gefragt habe, ist er ein bisschen patzig geworden. Er sagte mir, ich solle doch den Franz Beckenbauer anrufen oder den Jacques Rogge – oder den Papst.«
»Was haben Sie dann gemacht?«
»Ich habe ihm mit dem Gummiknüppel eins über die Rübe gegeben, dann nannte er mir Zeugen.«
»Das scheint wohl der berühmte westfälische Humor zu sein«, sagte Stengele.
»Ach ja, noch was«, fuhr Nicole fort. »Diese Ilse Schmitz war am Neujahrstag ebenfalls im Loisachtal. Sie hat, mit einer anderen Firma, irgendeinen anderen Adventure Event mitgemacht, ist dabei in die Höllentalklamm gestürzt und hatte danach, ärztlich attestiert, schwere Grippe.«
»Schon wieder diese Ilse Schmitz«, sagte Jennerwein. »Wir sollten sie wirklich im Auge behalten.«
»Ich würde aus dem Bauch heraus alle IMPOSSIBLE -Leute ausschließen«, sagte Maria. Alle mussten schmunzeln über diesen Ausdruck, denn Frau Dr. Schmalfuß war nun wirklich die
kopflastigste Mitarbeiterin in der SoKo. »Das ist zwar ein verrückter Haufen«, fuhr sie fort. »Aber die wollen alle Karriere als Manager und nicht als Serientäter machen. Die lockt das Spiel mit der wirtschaftlichen Macht, wir, die Repräsentanten der Staatsmacht, sind für die kein Gegner. Und noch was: Die bekommen ihren Kick dadurch, dass sie sich selbst – und nicht andere – in Gefahr bringen.«
»Hundertprozentig schließen Sie aber die Veranstalter oder die Teilnehmer dieser Wanderung nicht aus?«, fragte Stengele.
»Nein, natürlich nicht. Aber zu neunzig Prozent. Das ist das Problem beim Profiling: Es geht immer nur um Wahrscheinlichkeiten.«
»Nun zu Ihnen, Hölleisen«, sagte Jennerwein. »Haben Sie schon eine Liste mit Einheimischen erstellt –«
»– die für die Eintragung im Gipfelbuch in Frage kommen?«, antwortete dieser. »Eigentlich so siebenundzwanzigtausend, nämlich alle. Da könnten wir genauso gut Schriftproben von allen Einwohnern erstellen lassen – und uns unsterblich blamieren, wenn es dann doch kein Einheimischer war.«
»Stengele, wie ist ihre Bergwachtaktion verlaufen?«
»Auf dem Krottenkopf sind die Bergwachtler immer noch positioniert. Auf dem Schachen ab jetzt auch. Aber Sie sehen ja, was es gebracht hat. Der Marder ist nicht so dumm, zweimal auf denselben Berg zu gehen.«
Hansjochen Becker kam herein.
»Keine Fingerabdrücke, keine Spuren auf der Höllenmaschine, genauso wenig wie auf den Bekennerschreiben.«
»Und was ist das für eine Höllenmaschine?«
»Ein umgebauter Küchenwecker, feuchtigkeitsunempfindliche Zündschnüre, zwei Stangen Knallquecksilber pro Sprengloch – keine Profiarbeit, aber auch nicht ganz laienhaft.«
»Gut, an die Arbeit«, sagte Jennerwein. »Wenn jemand etwas Neues hat, meldet er sich sofort bei mir.«
Jennerwein hatte vor, einen kleinen Spaziergang zu machen, frische Luft zu schnappen, eines der sportlichen Angebote hier im Kurort zu nutzen, um nachzudenken. Warten war Jennerweins Sache nicht. So ging er die breite Hauptstraße entlang, schlenderte an einem kleinen Pestkircherl vorbei, spazierte eine mittelalterlich anmutende Gasse hinunter, und nicht ganz zufällig landete er auf der Straße, die zur Sprungschanze führte. Sie war schon zu sehen, die Riesenrutsche, die die Massen hierherzog und die vielen kleinen und großen Geldbeutel öffnete. Der kleine unfertige Gedanke jedoch, die ungelöste Frage, die sich in Jennerweins Hinterkopf festgehakt hatte, rumorte immer noch herum. Er ging in Richtung der Schanze. Obwohl das Gelände schon lange schneefrei war, hatte sich die SoKo Marder dazu entschlossen, keine ausführlichere Suche mehr nach dem rechten Ski Åge Sørensens und einer eventuellen Kugel zu starten. Den Ski hatte ein Fan mitgenommen, da war sich Jennerwein sicher. Aber warum hatte man keine Kugel gefunden? Jennerwein rekapitulierte nochmals. Der Marder wollte zeigen, dass er Anschläge verüben konnte. Sein primäres Ziel war nicht, Sørensen zu töten, sondern eine Veranstaltung, die von Millionen Menschen gesehen wird, zur Katastrophe zu machen. Dazu war es nicht nötig, Sørensen tödlich zu treffen, er wollte ihn lediglich zum Sturz bringen. Und es wurde keine Kugel gefunden. Weil es gar keine Kugel gab. Weil es – natürlich! – eine Waffe ohne
Weitere Kostenlose Bücher