Hochsommermord: Kriminalroman (German Edition)
Tür.
»Also, jetzt hört mal alle zu«, eröffnete Brandstätter die Besprechung und deutete mit der Hand auf Kepplinger.
»Das ist also euer neuer Kollege, der heute schon so viel Wirbel verursacht hat.« Er lachte. Außer ihm selbst fand das niemand komisch. »Natürlich nicht er. Sondern der Fall, den er seit heute Morgen bearbeitet.« Wieder lachte nur der Vorgesetzte. Dieses Mal schien er es genial zu finden, seinen vorherigen Witz so schlagfertig aufgelöst zu haben. Moritz war die Situation peinlich.
»Also, dann will ich auch gar nicht mehr viel sagen. Herr Kepplinger wird uns jetzt alle auf den neuesten Stand bringen.«
Moritz fühlte sich von der Vorgehensweise seines Chefs überrumpelt und räusperte sich verlegen.
»Hallo. Freut mich, euch kennenzulernen. Auch wenn der Anlass vielleicht weniger erfreulich ist.«
Die anwesenden Kolleginnen und Kollegen erwiderten seinen Gruß. Gleichzeitig wich die Stille einer angenehmeren Atmosphäre. Er war erleichtert.
»Obwohl die Zeit drängt, möchte ich mich kurz vorstellen. Meinen Namen kennt ihr ja schon. Seit vergangenem Freitag bin ich mit dem Studium fertig. Davor war ich zwei Jahre in Stuttgart beim Drogendezernat. Und davor sechs Jahre beim SEK. Ich habe mir ganz in der Nähe eine Wohnung genommen, in der Nordstadt. Und ich freue mich darauf, mit euch zusammenzuarbeiten und euch kennenzulernen.«
Er trank einen Schluck Kaffee. Sein erster Eindruck war, dass ihn die Kollegen wohlwollend in ihren Kreis aufnahmen. Dann fiel ihm etwas Wichtiges ein.
»Natürlich sorge ich für einen ordentlichen Einstand, wenn wir etwas mehr Zeit haben.«
Dieser Vorschlag wurde lautstark begrüßt.
»Neben mir steht die Kollegin Thomann. Sie arbeitet im Streifendienst und hatte bereits mehrfach Kontakt mit der Familie der Vermissten.«
Lea war neben ihn getreten und grüßte freundlich in die Runde. Den Reaktionen einiger Kollegen zufolge, kannten diese die Streifenbeamtin bereits.
Nachdem es wieder ruhig wurde, berichtete er der Reihe nach, vom Eingang des Fernschreibens bis zu den letzten Erkenntnissen aus dem Schulbesuch. Dabei ging er sehr sorgfältig vor und achtete darauf, dass er bei der Beschreibung seiner Eindrücke keine Wertung vornahm. Während er sprach, fiel ihm die Sache mit dem Mobiltelefon ein. Darauf wollte er später eingehen. Als Gedankenstütze legte er sein eigenes Gerät vor sich auf den Tisch. Anschließend fasste er zusammen, was er bislang über die vermisste Manuela Jessen in Erfahrung gebracht hatte. Bevor er den Hinweis auf das Handy erwähnte, bat er Lea darum, etwas zu dem Anruf in der Nacht und ihren Erfahrungen mit der Familie zu sagen. Er war beeindruckt, wie präzise und kurzweilig Lea die zu dem Fall gehörenden Details vortrug. Als sie fertig war, erwähnte er die Geschichte mit dem Telefon der Zehnjährigen. Und dass er in dieser Sache noch nichts unternommen, geschweige denn die Nummer gewählt hatte.
»Also, ich habe die Eltern überprüft«, unterbrach Franziska die anfängliche Stille. »In den Akten habe ich die Einträge zu den Ruhestörungen gefunden, über die Lea schon berichtet hat, und einen Vermerk über die zurückgezogene Anzeige im letzten Fall. Gerd Jessen hat darüber hinaus einen Eintrag wegen Körperverletzung, und, wartet …« Sie blätterte in den Unterlagen. »… Das war vor drei Jahren. Eine Kneipenschlägerei in Göppingen. Jessen hat seinem Kontrahenten die Nase eingeschlagen und wurde zu dreißig Tagessätzen à fünfzig Euro verurteilt, die er an die Hilfsorganisation für Kriminalitätsopfer, den Weißen Ring zahlen musste. Die Scheidung von Gerd und Susanne Jessen ist seit November vorigen Jahres rechtskräftig. Sie hat sich entschieden, den Namen ihres Exmannes zu behalten. Mehr habe ich nicht herausgefunden.« Franziska legte die Akten auf den Tisch. »Ach, und doch noch etwas. Der zuständige Arzt vom Christophsbad hat vorhin angerufen und mitgeteilt, dass Frau Jessen nicht vor morgen vernommen werden kann.«
Ein Mann mit Schnauzer und einem etwas altmodischen Karohemd, dessen rechter Kragen über ein hellbraunes Cord-Sakko hinausragte, meldete sich zu Wort und stellte sich als Wolfgang Herder vor. Er war neben Brandstätter der älteste Kollege des ansonsten ungewöhnlich jungen Teams. »Was passiert jetzt mit dem Handy?«, fragte er mürrisch. »Warum rufen wir nicht einfach an?«
»Das wollte ich, wie gesagt, auf jeden Fall mit euch besprechen«, sagte Kepplinger und blickte fragend in
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