Hochsommermord: Kriminalroman (German Edition)
Kepplinger. »Man kommt sich vor wie auf den Kanaren.«
»Ich finde es klasse. Für mich kann es nicht warm genug sein«, meinte Lea.
Sie entschieden sich für einen Asia-Imbiss. Moritz bestellte Ente mit Erdnusssoße, Lea wollte kein Fleisch und orderte Chop Suey mit Reis. Während sie aßen wagte Lea einen weiteren Versuch, über ihre Absichten zu sprechen, zur Kriminalpolizei wechseln zu wollen.
»Dir ist schon klar, dass du ohne Studium so gut wie keine Chance hast?«, sagte Kepplinger.
»Nichts lieber als nochmals die Schulbank zu drücken. Mir graut es nur vor dieser bescheuerten Zulassungsprüfung. Beziehungsweise davor, schwarz auf weiß bestätigt zu bekommen, wie dämlich ich bin.« Lea dachte dabei an ihren Kollegen, der vor Kurzem eine Absage erhalten hatte und sich vor der Dienstgruppe dafür rechtfertigen musste.
»Ich finde, du solltest es auf jeden Fall probieren«, versuchte er sie zu ermutigten.
»Ich selbst habe drei Anläufe gebraucht und mir jedes Mal geschworen, dass ich mir das nicht mehr antue. Aber es gibt nun mal keinen anderen Weg.«
Sie legte den Kopf zur Seite und schien über seine Worte nachzudenken.
Er ließ nicht locker und erinnerte sich kopfschüttelnd an eine der Fragen. »In meiner letzten Prüfung haben sie nach einem Vulkan auf Island gefragt, dessen Namen ich nicht mal aussprechen konnte. Trotzdem habe ich bestanden.«
»Vatnajökull«, sagte Lea.
»Was?«, fragte er verdutzt.
»Vatnajökull. Der größte Gletscher Europas und zugleich der aktivste Vulkan der Insel.«
»Na also«, erwiderte er. »Wo liegt das Problem?«
»Dass es noch hundertneunundfünfzig andere Fragen gibt und diese eine sicher nicht mehr gestellt wird. Außerdem war das Zufall. Ich hab vor zwei Jahren eine Freundin in Reykja vík besucht, und wir haben auf diesem Gletscher eine Wan derung gemacht.« Sie bezahlten und verließen das Restaurant. Auf dem Rückweg kam ihnen ein Betrunkener entgegen, der lautstark Selbstgespräche führte und die Hälfte des Gehwegs in Anspruch nahm. Kepplinger wich auf die Straße aus und dachte an die Begegnung mit Gerd Jessen am Vorabend.
»Ich würde mich an deiner Stelle trotzdem bewerben. Da werden jedes Jahr so viele Idioten zugelassen«, sagte er, nachdem sie die Dienststelle erreicht hatten.
»Sehr charmant. Danke!« Lea schmunzelte, aber Moritz konnte erkennen, dass sein unüberlegter Kommentar sie verletzt hatte.
Markus Ackermann erwartete sie bereits.
»Wir sind mit den Listen fertig. Macht ihr heute noch weiter?«
Kepplinger nickte und sah zu Lea, die ebenfalls zustimmte.
»In Ordnung. Ich lese mir die Vernehmung dieser Kegelbrüder nochmal durch und lege sie dir dann auf den Schreibtisch.«
»Habt ihr alle vernommen?«, wollte Kepplinger wissen.
»Salvatore hat vor etwa einer halben Stunde das letzte Protokoll abgeliefert.«
»Und?«
»Wie es aussieht, gibt es keine Zweifel an Jessens Alibi.«
»Du meinst, nicht für den Zeitraum zwischen Freitagnachmittag und Sonntagabend«, korrigierte ihn Kepplinger.
»Das ist richtig.« Bevor Ackermann sich verabschiedete, fiel ihm noch etwas ein.
»Übrigens, Moritz, die Suche nach dem Fahrzeug gestaltet sich schwierig. Wir haben sämtliche Eltern befragt, die ihre Kinder mit dem Auto von der Schule abgeholt haben. Ihnen ist kein fremder Wagen aufgefallen.«
»Und das Kind?«
»Das hätte ich dir wohl gleich gesagt.«
»Habt ihr die Anwohner befragt?«
»Sämtliche Häuser entlang ihres Schulwegs. Eine ältere Frau hat behauptet, sie habe Manuela am Fußgängerüberweg getroffen. Aber sie wusste nicht mehr, ob das am Freitag oder einem anderen Wochentag war.«
»Großartig!«
Moritz und Lea gingen zurück in den Besprechungsraum und betrachteten den Papierstapel. Es waren über tausend Datensätze. Moritz stöhnte und schnappte sich etwas mehr als die Hälfte der Protokolle.
»Nur keine Müdigkeit vortäuschen, Herr Kommissar«, sagte Lea und langte nach den übrigen. »Wenn wir uns ranhalten, sind wir morgen früh fertig.«
Ihre Motivation wirkte ansteckend. Kepplinger dachte, dass sie es wirklich ernst meinte mit ihrer Absicht, zur Kriminalpolizei zu wechseln. Zumindest schien sie zeigen zu wollen, dass sie für diese Arbeit geeignet war. Während er seinen Stapel mit den Halterdaten auf die verschiedenen Stöße verteilte, wurde ihm bewusst, dass auch er sich auf der neuen Dienststelle beweisen musste. Zwar hatte er in den letzten Wochen nie eine genaue Vorstellung davon gehabt, wie sein
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