Hochsommermord: Kriminalroman (German Edition)
Gewissensbisse bekommen, dachte er. Wütend ballte er die Fäuste. Wenn es jemand verdient hatte zu sterben, dann er. Er dachte an das Mädchen. Er war froh, dass er den Schuh nicht weggeworfen hatte.
Markus Ackermann rannte ihn beinahe um, als Moritz mit Lea und Salvatore in den Flur der Kriminalinspektion trat. Aufgeregt wedelte er mit einem Papierstapel vor seinem Gesicht herum.
»Was ist denn mit dir los?«
»Eine Menge Arbeit, lieber Kollege«, erwiderte Ackermann und winkte ihn in sein Büro.
»Das sind alle Mobiltelefonnummern von den Geräten, die am Freitag nach Schulschluss plus eine Stunde auf unseren Sendemasten eingeloggt waren.«
Kepplinger blätterte überrascht in den Unterlagen, auf denen Hunderte von Telefonnummern abgedruckt waren.
»Und wir sollen jetzt alle Besitzer ermitteln?«
Ackermann zuckte mit den Schultern.
»Wenn du eine bessere Idee hast?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, habe ich nicht. Da könnte schon was dabei rauskommen. Wie viele sind es?«
»Zweitausenddreihundert.«
»Klingt spannend.«
»Ist nicht so dramatisch, wie du denkst. Franzi hat schon über dreihundert Namen ermittelt. Anja jagt sie durch die Fahndungsdateien«, beruhigte ihn der Kollege.
»Dreihundertzwanzig!«, rief es aus einem Büro am Ende des Flurs.
Kepplinger lächelte. Wieder wurde er vom Engagement der Kollegen angesteckt.
»Und rechtlich?«, erkundigte er sich bei seinem Kollegen. »Das ist ja so was Ähnliches wie eine Rasterfahndung. Wir verdächtigen quasi alle Mobiltelefonbesitzer, die in dieser Zeit im Bereich der Funkzelle waren.«
»Brandstätter und der Direktionsleiter haben die Überprüfung abgesegnet«, sagte Markus Ackermann. »Schließlich geht es um ein Menschenleben.«
Lea sah ihn fragend an.
»Datenschutzrechtlich ist so eine Aktion nicht ganz unproblematisch«, versuchte er die unklare Rechtslage zu erläutern.
Sie gingen in das Büro, in dem Franziska die Rufnummern eintippte und wenige Sekunden später die Daten des Eigentümers auf dem Bildschirm erschienen. Der Ausdruck wanderte auf den Tisch von Anja Kober, die Geburtstag und Nachname der Personen in ein Programm eingab, das die Daten mit den polizeilichen Fahndungsdateien abglich.
Die fertigen Ausdrucke bildeten bereits einen gewichtigen Stapel.
»Die sind für euch«, sagte Franziska. Er dachte an den Lauf, den er am Abend geplant hatte. Die Aktion glich der bekannten Nadelsuche im Heuhaufen. Aber da sie bisher noch keine heiße Spur hatten, war es einen Versuch wert. Das Marathontraining musste ausfallen.
»Habt ihr schon was gefunden?«, erkundigte er sich.
»Nein. Wir drucken erst mal alles aus«, antwortete Anja Kober verlegen.
»Wir dachten, es sei dir lieber, wenn du die Listen selbst auswertest und entscheidest, was interessant sein könnte«, fügte Franziska hinzu. Kepplinger nickte.
Das war es tatsächlich. Er musste sich zuerst Gedanken machen, wonach er die Telefoninhaber sortieren wollte.
»Ich helfe dir«, bot sich Lea an.
Kepplinger sah sie nachdenklich an und bereute im selben Moment sein Zögern.
»Vorausgesetzt, du traust mir das zu«, schien sie erneut seine Gedanken lesen zu können.
»Na klar, ich habe gerade an etwas anderes gedacht«, log er und griff rasch nach dem Papierstapel.
»Am besten, wir gehen in den Besprechungsraum«, sagte er und machte sich auf den Weg.
Obwohl durch die Dachfenster ausreichend Tageslicht in den Besprechungsraum fiel, betätigte Kepplinger beim Betreten sämtliche Lichtschalter. Eine ganze Batterie von Neonlampen flammte auf. Er legte den Papierstapel auf einen Tisch und sah seine Kollegin fragend an.
»Hast du eine Idee?«
Lea wirkte noch immer misstrauisch. Moritz spürte, dass er mit seiner Skepsis eine unsichtbare Grenze überschritten und sie gekränkt hatte. Er war im Begriff, etwas Beschwich tigendes zu äußern. Doch sie kam ihm mit ihrer Antwort zuvor.
»Was hältst du davon, wenn wir alle aussortieren, die im Bereich der Funkzelle wohnen oder sich während des gesamten Zeitraums darin aufgehalten haben? Deiner Theorie nach ist Manuela nach der Schule in einen Wagen gestiegen. Alle Fahndungsmaßnahmen im Nahbereich verliefen bislang erfolglos. Ich würde also annehmen, dass der Täter die Funkzelle wieder verlassen hat.«
»Klingt gut. Dann unterscheiden wir für diese Kategorie nur noch diejenigen, die bereits wegen einschlägiger Delikte in Erscheinung getreten sind … Falls es solche gibt.«
Sie kamen schneller voran, als er gedacht
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