Hochsommermord: Kriminalroman (German Edition)
Dienststelle. Unterwegs kaufte er sich ein Fischbrötchen in einem Feinkostladen.
In seinem Büro riss er den Umschlag auf, biss hastig in das Brötchen und sah sich die Unterlagen durch. Er zählte vierundsechzig Geschwindigkeitsüberschreitungen, die von fünf Überwachungskameras angefertigt worden waren. Nur sieben Verstöße passten in den Zeitraum von elf bis sechzehn Uhr. Eifrig studierte er die Protokolle und Lichtbilder.
Nach einer Weile, schob er den Stapel enttäuscht in die Tischmitte.
Mist, dachte er.
Keine der Anzeigen passte zu seiner Theorie. Verblüffend war nur die Tatsache, dass offenbar mehr Frauen als Männer zu schnell fuhren. Routinemäßig blätterte er die restlichen Unterlagen durch. Er wusste nicht, an welchen Kriterien er festmachen sollte, weshalb einer der Abgebildeten als Täter in Frage kam. Sollte er Frauen generell ausschließen? Die Abbildungen waren zumeist unscharf, und die Gesichter wirkten größtenteils genauso verwirrt wie sein eigenes auf der Anzeige ausgesehen hatte. Noch einmal blätterte er den gesamten Stapel durch.
Plötzlich war er hellwach. Das Foto eines Mannes erregte sein Misstrauen. Er war von einer Kamera am Ortsausgang von Süßen geblitzt worden.
Sechzehn Uhr siebenunddreißig.
Kepplinger musterte das Gesicht des Mannes, der argwöhnisch in die Kamera blickte. Als wüsste er von der Überwachungseinrichtung. Er glaubte, den Mann zu kennen. Krampfhaft überlegte er, woher. Der Name des achtundvierzigjährigen sagte ihm nichts. Von dem Wagen, einem weißen Smart, war nur der kleine Ausschnitt rund um den Fahrer zu erkennen. Er trat an das Fenster des Büroraumes, blickte in Richtung des alten Göppinger Schlosses und beobachtete den Verkehr vor dem Bürogebäude. Er erinnerte sich an eine Situation, in der er sich ähnlich gefühlt hatte wie in diesem Augenblick. An den Tipp, den sie ihm damals mit auf den Weg gegeben hatte: Der nächste Schritt ist der richtige.
Die Sitzungen taten ihm gut. Sie gaben ihm die Möglichkeit, sein Leben von außen zu betrachten. Erlebnisse in Zusammenhänge zu bringen und einzuordnen. Gedanken zuzulassen oder abzulehnen. Letztendlich sich selbst zu verstehen.
Anfang Mai sagte sie am Ende eines Gesprächs, dass sie für einige Zeit in ein Krisengebiet nach Bangladesch musste. Im ersten Moment dachte er, dass er alleine nicht weiterkommen würde.
Sie las seine Gedanken.
»Sie schaffen das, Moritz. Ich komme wieder, und dann setzen wir unsere Gespräche fort«, sagte sie. »Vorausgesetzt, Sie wollen es.«
Er wollte.
Als sie sich verabschiedeten, sah sie ihm in die Augen.
»Denken Sie immer dran, Moritz, der nächste Schritt ist der richtige.«
Er ging zurück zum Schreibtisch und betrachtete erneut das Foto. Er war sicher, den Mann schon einmal gesehen zu haben. Er loggte sich am Computer in das polizeiliche Datensystem ein und gab Namen und Geburtsdatum ein. Die Überprüfung dauerte eine halbe Minute. Endlich erschien das Ergebnis auf dem Monitor: Kein Datenbestand.
Kepplinger schlug mit der Hand auf den Tisch. Dann überprüfte er seine Eingaben, aber er hatte keinen Fehler gemacht. Niedergeschlagen stützte er den Kopf auf seine Hände und rieb sich die Augen. Wieder ein Ermittlungsansatz, der anscheinend ins Nichts führte. In diesem Augenblick klingelte das Telefon.
Als er den Hörer abnahm, traten Salvatore und Lea in das Büro. Am anderen Ende meldete sich Anja Kober. Kepplinger schaltete den Außenlautsprecher ein und legte den Hörer auf die Seite.
»Seid ihr fertig?«
»Ja, die Obduktion wurde gerade beendet.« Ihre Stimme klang erschöpft und zugleich gefasst. Moritz beschlich eine böse Vorahnung. Er atmete tief durch und bemühte sich krampfhaft darum, seine Anspannung zu verbergen.
»Gibt es Neuigkeiten?«
»Eine ganze Menge. Hast du was zum Schreiben?«
Kepplinger griff hastig nach einem Stift und nahm ein Stück Papier aus dem Drucker.
»Schieß los.«
»Also, bei der Leiche handelt es sich zweifelsfrei um Manuela Jessen.« Der Redefluss seiner Kollegin geriet für einen Moment ins Stocken. »Das Zahnbild ist identisch mit den Röntgenaufnahmen des Dentallabors. Außerdem gibt es eine Übereinstimmung mit der sichergestellten DNA .«
Kepplinger musste heftig schlucken. Obwohl er seit dem Leichenfund im Wald mit dieser Nachricht gerechnet hatte, traf sie ihn härter, als er gedacht hatte. Der Knoten in seinem Bauch zog sich spürbar enger zusammen.
»Die Todesursache ist mittlerweile auch
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