Hochzeit auf Raten
und Drücken.
»Aktionsfähig?« murmelte sie, »deine einzigen aktionsfähigen Organe sind das Maul und die Augen.«
»Sei zarter«, jammerte ich.
Ungerührt krallte sie ihre Fingernägel in meinen Rücken und biß mich in die Schultern, daß ich wie ein Hund aufheulte, dem man auf den Schwanz getreten ist.
»Du temperamentloser Liebhaber«, sagte sie verächtlich.
Ich griff blindlings hinter mich und kniff sie in den Bauch.
Jetzt quietschte sie.
Hierauf fiel sie wie eine Furie über meine Haare her.
Meine nächste Attacke bestand darin, daß ich ihr mit aller Kraft in die Nase biß. Ungeachtet meiner Schmerzen balgten wir uns quiekend auf dem Bett wie zwei Feldhasen im Schnee, indessen der Branntwein gemächlich auf der Bettdecke vergluckste.
»O pardon---«
Mit feuerroten Gesichtern fuhren wir empor. Im Türrahmen standen der Kellner und das Stubenmädchen, mit schreckweiten Augen die Szene betrachtend.
»Was gibt's?« fragte ich atemlos.
»Wir dachten — wir fürchteten«, stammelten die beiden, »weil nämlich Ihre Schreie bis hinunter zu hören waren.«
»Keine Angst«, erwiderte ich etwas beklommen, »hier wird niemand umgebracht.«
»Höchstens das Gegenteil!« ergänzte Isabell fröhlich.
Als es heraußen war, begriff sie erst, was sie gesagt hatte. Hierauf tat sie das, was Frauen immer tun, wenn sie peinliche Situationen herauf beschwören: Sie verschwinden (in diesem Fall unter die Steppdecke) und überlassen es dem Mann, damit fertigzuwerden.
»Die Dame«, stotterte ich und wurde mir erst jetzt meines nach Schnaps duftenden nackten Oberkörpers bewußt, »hat gemeint — wir brauchen wirklich keine Hilfe.«
Der Kellner und das Stubenmädchen retteten die Situation, indem sie die Tür ohne ein weiteres Wort von außen schlossen.
Zögernd kam Isabell wieder zum Vorschein.
»Du untergräbst meinen guten Ruf«, sagte ich gebrochen.
»Ich glaube, ich habe ihn erst begründet«, erwiderte sie. »Du konntest das nach deinen bisherigen Auftritten brauchen.«
Am Abend erschienen wir Arm in Arm im Speisesaal. Sie in einem tief ausgeschnittenen Kleid, ich im schwarzen Anzug und mit Silberkrawatte. Wir feierten Weihnachten.
Nachdem wir an unserem Tisch Platz genommen hatten, musterte ich mit dem linken Auge die Speisekarte und mit dem rechten das Publikum. Ich sah sofort, daß man an allen Tischen über uns sprach. Mein Unfall, die Ereignisse auf der Terrasse und die gepfefferten Indiskretionen des Kellners und Stubenmädchens mochten eine pikante Schlafzimmergeschichte ergeben haben. Eine Geschichte, die ausgezeichnet zu dem Rehragout mit Preiselbeeren passen mußte, das auf der Karte zu einem unverschämten Preis ausgeschrieben war.
»Haben die Herrschaften schon gewählt?« fragte der Kellner, der seit unserem Eintreffen nicht mehr von meiner Seite gewichen war.
Ich warf einen Blick auf Isabell. Nein, sie hatte noch nicht gewählt. Rechtzeitig bemerkte ich, wie die Frau Professor mit einem freundlichen Kopfnicken herübergrüßte, während der Herr Gemahl ungeniert auf Isabells Halsausschnitt starrte.
»Für mich eine pikante Schlafzimmergeschichte mit Preiselbeeren«, sagte ich abwesend.
»Eine pikante Schlafzimmergeschichte?«
Der Kellner sah hilfesuchend im Saal umher.
»Ich meine natürlich Rehragout«, korrigierte ich und registrierte gleichzeitig den abschätzigen Blick, mit dem eine üppige Blondine Isabell streifte.
Nun war auch Isabell so weit, daß sie wußte, was sie wollte. Mit starrem Gesicht nahm der Kellner die Bestellung entgegen.
Ich setzte meine Tätigkeit des Kopfnickens und Zulächelns fort, wobei mir auffiel, daß die Herren entrüstete Mienen aufsetzten, sobald sie meinen Blick auf sich spürten, während mir die Damen ausnahmslos huldvoll begegneten. Isabell erging es genau umgekehrt.
»Gib mir einen Kuß!« sagte sie unvermittelt.
»Vor allen Leuten?« fragte ich entsetzt.
»Man soll sehen, daß du mich liebst.«
Ich zögerte: »Wir haben bereits Aufsehen genug erregt.«
»Feigling!«
»In deinem eigenen Interesse!«
»Ich kenne meine Interessen besser als du.«
»Wenn du unbedingt willst?«
Sie wollte es.
Ich wartete auf einen Zeitpunkt, da gerade niemand zu uns hersehen würde. Doch der Zeitpunkt kam nicht. Schließlich erwischte ich den ungünstigsten Moment, den ich überhaupt erwischen konnte. Und wer nicht von selbst aufmerksam war, der wurde es durch den lauten Schmatzer, den sie von sich gab.
»Ab morgen«, sagte ich entschlossen, »essen
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