Hochzeit auf Raten
haben?«
»Logik«, erwiderte sie prompt.
»Nein, Sophistik.«
»Das klingt noch besser.«
»Ich glaube, du hörst jetzt auf zu trinken«, sagte ich. »Es ist höchste Zeit, daß wir uns einer angemesseneren Beschäftigung zuwenden.«
»Du hast recht«, gähnte sie, »ich bin todmüde.«
Ich sah sie wortlos an.
»Du doch auch, nicht wahr?« flüsterte sie.
»Ich habe mir sagen lassen, daß es in den Flitterwochen mit dem Schlaf für gewöhnlich nicht sehr gut bestellt sein soll.«
Sie gähnte zum zweitenmal: »Richtig, wir sind ja in den Flitterwochen. Ein Glück, daß du mich daran erinnerst.«
»Ich hatte es auch beinahe vergessen.«
Ein neuerlicher Tritt ins Schienbein belehrte mich, daß Witzeleien über Eheprobleme grundsätzlich nur der Frau erlaubt sind.
»Bist du über die Eigenheiten der Flitterwochen überhaupt einigermaßen orientiert«, erkundigte sie sich streng.
Ich wollte schon »Und ob« sagen, besann mich aber rechtzeitig und erklärte ausweichend: »Was man eben so hört.«
»Das ist zu wenig.«
»Ich hatte bisher noch nicht das Glück, diese Einrichtung kennenzulernen.«
»Du weißt also nichts?«
»Nichts!«
»Dann werde ich dich aufklären«, verkündete sie.
Der letzte Schluck Grog, den ich aus dem Glas gequetscht hatte, blieb mir im Hals stecken: »Du?«
»Wer sonst? Außerdem sollst du nicht so unintelligente Augen machen. Du weißt, daß ich das nicht mag.«
»Woher willst du das wissen?«
»Jeder gebildete Mensch weiß das.«
»Das erklärt natürlich alles.«
»Allerdings ist nicht jeder gebildet, der sich dafür hält«, sagte sie mit unverkennbarer Spitze.
Zur Bekräftigung trat sie zum drittenmal nach meinem Schienbein. Aber das Schienbein war nicht mehr dort, wo sie es vermutete, so daß sie ins Leere stieß und beinahe unter den Tisch fiel. Sie überging den Mißerfolg ohne Bemerkung.
»Ich bin ganz Ohr«, ermunterte ich sie. »Du kannst beginnen.«
»Nicht, ehe ich einen neuen Grog bekommen habe.«
»Das ist mir die Lektion wert.«
»Die Flitterwochen«, begann sie, nachdem das Glas vor ihr stand, »pflegen in gesitteten Familien die ehelichen Beziehungen einzuleiten. Das dürfte dir bekannt sein.«
Ich nickte.
»Sie bringen ein völlig neues Moment in das Leben von Mann und Frau.«
Ich hütete mich, gewisse Zweifel zu äußern.
»Außerdem bestehen grundsätzliche Unterschiede zwischen Mann und Frau. Es kann für die Ehe nur vorteilhaft sein, wenn beide Teile das bereits in den Flitterwochen erkennen und auch respektieren. Ist dir das klar?«
»Völlig.«
»Die Frau verkörpert das Zarte, Nachgiebige, Weiche und Liebenswürdige, der Mann das Robuste, Egoistische, Brutale und Gefühllose. Die Frau bedarf der Schonung und Aufmerksamkeit. Der Mann braucht das nicht; ihn hat die Natur zum Tragen schwerster Belastungen bestimmt. Wer seine Frau liebt, wird ihr den Übergang in das neue Leben so angenehm wie möglich machen. Romantische Leute fahren zu diesem Zweck nach Venedig. Ist dir das klar?«
»Ich habe noch nie eine so klare Darstellung gehört«, sagte ich.
»Du scheinst verständiger zu sein, als ich dachte«, erwiderte sie. »Und nun zu dir im Speziellen, mein Bester!«
Das Spezielle war ebenso prägnant wie einfach:
1. Du wirst mir das Frühstück ans Bett bringen.
2. Du wirst das Zimmer sauberhalten, soweit das nicht vom Stubenmädchen besorgt wird.
3. Du wirst dir etwas gegen den Gestank der Heizung einfallen lassen.
4. Das Liegen mit Bergschuhen auf dem Bett ist verboten.
5. Ich hatte sie aufzuheitern, wenn sie mißmutig, und meinen Mißmut zu unterdrücken, wenn sie heiter war.
6. Das Schnarchen im Schlafzimmer ist verboten.
7. Das morgendliche Singen im Badezimmer ist zu unterlassen, da sie zu dieser Zeit besonders lärmempfindlich war.
8. Während der Nacht hatten die Rolladen heruntergelassen und die Fenster spaltbreit geöffnet zu sein.
9. Eventuelle nächtliche Gänge meinerseits hatten geräuschlos und im Bereich des Zimmers ohne Benützung des elektrischen Lichts zu erfolgen.
»Wenn du dich an diese Selbstverständlichkeiten hältst«, schloß sie, »werden wir unendlich glücklich sein.«
Davon war ich überzeugt.
»Ich hoffe, ich habe dich erschöpfend aufgeklärt.«
Das hatte sie. Nun konnte nichts mehr schiefgehen.
Alles ging schief. Schon während des Gesprächs hatte ich bei jeder Bewegung einen ziehenden Schmerz im Rücken gespürt, ohne jedoch darauf sonderlich zu achten. Jetzt, da ich auf stehen wollte,
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