Hochzeit in Glenrae
berührte seine Hand. “Es war ein Unfall, Duncan. Findest du nicht, dass es langsam Zeit wird, die Vergangenheit zu begraben? Du kannst nicht ewig mit einem Schatten leben.”
“Ich lebe, wie es mir passt.” Duncan schüttelte Mariannes Hand ab und stand auf. “Sagtest du nicht, du seist in Eile und müsstest rasch wieder fort?”
Damit wandte er sich ab und ging davon. Marianne stand auf und folgte ihm.
Annie kam mit dem Teewagen auf die Terrasse hinaus und war verwundert, Jenna allein anzutreffen.
“Trinkt Master Duncan heute keinen Tee?”, fragte die Haushälterin.
“Das weiß ich nicht.”
Jenna schob die Teeküchlein auf ihrem Teller lustlos hin und her, griff dann nach einem und überdachte die Szene, deren Zeugin sie geworden war. Als es ihr nicht gelang, sich einen Reim darauf zu machen, hörte sie zu essen auf und stand auf. Sie fühlte sich auf einmal müde, und ihr Zimmer mit dem bequemen Bett kam ihr wie ein verlockender Zufluchtsort vor.
In der Eingangshalle verharrte Jenna einen Augenblick wie versteinert, danach wich sie hastig in eine Nische zurück. Mit dem Rücken zu ihr stand Duncan vor Marianne, die ihn verführerisch anlächelte.
Er hatte die Hände locker um ihre Taille gelegt. Nun trat Marianne näher, legte die Arme um seinen Nacken und bot ihm die Lippen. Duncan zögerte sekundenlang, dann beugte er sich über Marianne und küsste sie.
Die beiden waren so miteinander beschäftigt, dass sie Jenna nicht bemerkten, die nach einer Weile zur Treppe huschte und nach oben hastete.
In ihrem Zimmer angekommen, legte sie sich auf das Bett und blickte starr zu der hohen, kunstvoll verzierten Decke auf. Vor einer Stunde hatte Duncan sie in den Armen gehalten, und sie hatte geglaubt, diese Umarmung sei auch für ihn etwas Besonderes gewesen. Jetzt küsste er Marianne. Mein Gefühl hat mich also nicht getrogen, dachte sie niedergeschlagen. Die beiden sind ein Liebespaar.
Er musste gespürt haben, wie sie auf seine Küsse reagiert hatte. Hatte er es bewusst darauf angelegt, sie zu erregen … als eine Art Rache? Aber wofür?
Jenna wollte das unbedingt herausbekommen. In diesem Haus konnte sie jedoch nichts erfahren, das war ihr inzwischen klar. Würde überhaupt jemand in Glenrae ihr verraten, was zwischen Duncan Fergusson und ihrem Vetter Stuart vorgefallen war?
Jenna rollte sich seufzend auf den Bauch. Wenn sie dieses Haus erst einmal verlassen hatte, sollte ihr das eigentlich gleichgültig sein. Annie hatte zwar gesagt, es sei unumgänglich, dass sie Duncan in diesem kleinen Ort begegnete, aber es war unwahrscheinlich, dass er sie dann noch mit seiner Rache verfolgte. Trotzdem werde ich alles tun, um ihm aus dem Weg zu gehen, nahm Jenna sich vor. Nun hätte sie sich eigentlich besser fühlen müssen, stattdessen verspürte sie eine schmerzliche Leere – und Trauer.
Annie kam später zu Jenna herauf, um ihr Duncans Einladung zum Abendessen zu überbringen, aber Jenna schützte Kopfschmerzen vor und lehnte ab. Sie war nicht in Stimmung für eine erneute Begegnung mit Duncan und ging zu Suzie.
Doch als Suzie schlief und Jenna in ihr Zimmer zurückgekehrt war, fühlte sie sich einsam, und der Abend schien kein Ende nehmen zu wollen.
Sie war sicher, dass Annie Duncan von den Kopfschmerzen erzählt hatte, aber er hatte sich nicht die Mühe gemacht, nach ihr zu sehen. Es ist ihm gleichgültig, wie es mir geht, dachte sie aufsässig.
Schließlich kam Annie mit einem Nachttrunk herauf und berichtete, Duncan sei ausgegangen, weil er keine Lust gehabt hätte, allein zu essen. Ob er wohl bei Marianne ist?, fragte Jenna sich, und ihre Stimmung sank unter den Nullpunkt.
Trotz des Nachttrunks konnte Jenna nicht einschlafen und grübelte über ihre Situation nach. Sicherlich sorgte ihre Tante Louise sich und hatte Marianne geschickt, um die Lage zu überprüfen, da die Feindschaft zwischen den beiden Familien es Tante Louise unmöglich machte, selbst nach ihren Nichten zu sehen. Ob sie ahnte, dass Duncan sich weigerte, sie und Suzie gehen zu lassen?
Das letzte Mal hatte Louise Anderson Jenna als Teenager gesehen, und Suzie kannte Louise überhaupt nicht. Sie und die Mutter von Jenna und Suzie waren Schwestern gewesen. Nachdem die Wildes vor einem Jahr bei einem tragischen Bootsunglück ums Leben gekommen waren, hatte Louise an dem Begräbnis nicht teilnehmen können, weil sie sich bei einem Sturz vom Pferd mehrere Knochen gebrochen hatte. Jenna hatte ihr daraufhin geschrieben, und seitdem war
Weitere Kostenlose Bücher