Hochzeit in Glenrae
“Tut mir leid, dass Sie warten mussten”, sagte er, während Jenna Suzie wieder auf ihren Platz bettete. “Mein Wagen stand weiter entfernt, als ich geglaubt hatte. Als ich den Aufprall hörte, war ich nur von dem Gedanken beherrscht, herzukommen. Da bin ich den Steilhang heraufgekraxelt, statt um ihn herumzufahren.”
“Dafür bin ich Ihnen sehr dankbar.” Jenna begann, den Arm mit der Schlinge durch die Türöffnung zu manövrieren, und verzog das Gesicht.
“Seien Sie vorsichtig.” Der Mann legte ihr seinen rechten Arm um die Taille, mit der linken Hand stützte er Jennas Ellenbogen, um das Handgelenk ruhig zu halten.
Bei der Berührung überlief Jenna ein elektrisierendes Prickeln. Sie biss sich auf die Lippe und konzentrierte sich ganz auf das Aussteigen. Sobald sie draußen war, gaben ihre Beine nach. Sofort verstärkte der Fremde den Griff und drückte Jenna an sich.
“Sie scheinen stark geschwächt zu sein.” Die Stimme des Mannes klang sanft.
“Das ist vermutlich der Schock”, erklärte sie verlegen. “Normalerweise bin ich nicht so zimperlich.”
Er lachte auf. “Das glaube ich Ihnen.”
Jenna war nicht sicher, wie sie das verstehen sollte, dachte aber nicht darüber nach. Selbst sein Lachen ging ihr unter die Haut, und sie fragte sich, warum sie auf diesen Unbekannten so stark reagierte.
Besser, sie hielt ihn auf Abstand. “Ich … glaube, ich komme schon allein zurecht.”
Als der Fremde sie losließ, begann sie zu schwanken.
“Das werden wir gleich haben!” Er hob sie auf, und sie kämpfte gegen das Bedürfnis an, den Kopf an seine Wange zu legen. Sie fühlte sich verletzlich und trostbedürftig. Der plötzlich finstere Gesichtsausdruck des Mannes vertrieb diese Empfindungen jedoch.
“Sie können mich absetzen”, sagte sie kühl. “Es geht mir wieder gut.”
Er überhörte ihre Worte und trug sie mühelos zu seinem Fahrzeug, wo er sie auf den Beifahrersitz hob. Dann ließ er sie allein und kam gleich darauf mit Suzie auf den Armen zurück, die immer noch schlief. Er legte das Mädchen behutsam auf den Rücksitz.
Jenna drehte sich besorgt zu ihrer Schwester um und betete stumm, dass ihr nichts weiter passiert sein möge. Das letzte Jahr war für sie beide traurig genug verlaufen.
Energisch schob Jenna den düsteren Gedanken beiseite und versuchte, der Situation etwas Positives abzugewinnen. Sie schienen beide mit einem blauen Auge davongekommen zu sein und konnten von Glück sagen, dass der Fremde sie gefunden hatte.
Er glitt neben Jenna hinter das Lenkrad. “Ihr Wagen kann über Nacht hier ruhig stehen bleiben”, erklärte er und machte sich daran, den Land Rover auf der schmalen Straße zurückzusetzen. “Morgen kümmere ich mich darum, dass er geholt und der Felsbrocken aus dem Weg geräumt wird.”
Er klang energisch und sachverständig, und Jenna kam zu dem Schluss, dass er es gewöhnt war, die Dinge in die Hand zu nehmen.
“Danke”, erwiderte sie etwas kleinlaut.
Die Fahrbahn wurde breiter, sodass er wenden konnte. Mit angehaltenem Atem verfolgte Jenna, wie sie einen Moment am Rande des Abgrunds zu schweben schienen. Doch der Fremde schlug das Lenkrad geschickt ein, und bald ließen sie die Unglücksstelle hinter sich. Jenna hätte sich gern mit dem Unbekannten unterhalten, aber er machte ein finsteres Gesicht und widmete seine Aufmerksamkeit ganz der Straße. Er scheint kein Mann überflüssiger Worte zu sein, dachte sie. Also saß sie still neben ihm und überließ sich den gleichförmigen Bewegungen des Geländewagens, dabei war sie sich der Nähe des Mannes überstark bewusst.
Er war groß und breit gebaut und beanspruchte so viel Platz, dass seine Schulter Jenna fast berührte. Selbst durch den dicken feuchten Stoff seiner Jacke meinte sie die Schwingungen zu spüren, die von dem Fremden ausgingen, und war versucht sich an ihn zu lehnen.
Das schockierte sie. Sie war doch sonst nicht der Typ, der nach einer männlichen Schulter Ausschau hielt, wenn etwas schiefging!
“Was führte Sie eigentlich auf diese abgelegenen Nebenstraßen?”, hörte Jenna ihren Retter plötzlich missbilligend fragen.
“Ich werde in Glenrae erwartet”, erwiderte sie. “Meine Tante und mein Vetter besitzen dort eine Reitschule. Meine Schwester und ich wollen dort während der Sommermonate aushelfen.”
Ihr entging nicht, dass die Haltung des Fremden plötzlich steif wurde. “Heißt das, dass Ihre Tante Louise Anderson ist?”, erkundigte er sich und presste die Lippen
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