Hochzeit in St. George (German Edition)
sich sicherlich auch mit Henry weiterhin gut verstanden. Sie würde dafür sorgen, daß der Kontakt zu Hetty und George in Zukunft nicht wieder abriß.
Der kleine Hermes, der wie so oft in den letzten Tagen nicht von ihrer Seite wich, nützte die Gelegenheit, seine erwachsene Freundin für sich alleine zu haben. »Gehst du mit mir schaukeln, Mylady?« fragte er und richtete einen flehenden Blick zu Catharine empor. Er , nannte sie immer Mylady, was aus seinem kleinen, kindlichen Mund sehr drollig klang und Catharine jedesmal erneut zum Lachen brachte.
»Steven aus dem Stall hat eine Schaukel aufgehängt. Ganz für mich alleine. Ich möchte sie dir so gern zeigen, Mylady. Gehst du mit mir? Bitte, bitte!«
Wie hätte sie diesem Flehen widerstehen könnend? Sie nahm Hermes bei der Hand und ging mit ihm die breite Einfahrt hinunter, wo hinter einem kleinen Wäldchen an einem ausladenden Kastanienbaum, der mitten in einer Wiese stand, eine Schaukel leicht im Wind hin und her schwankte.
»Das ist sie!« rief Hermes. »Ist sie nicht schön? Und sie gehört ganz alleine mir. Ich kann auch schon gut schaukeln. Ich zeige es dir, Mylady.« Er setzte sich auf das Brett und schwang nach kurzer Zeit hoch in die Luft.
Catharine ließ sich auf einen breiten Stein am Waldrand nieder und sah ihm mit versonnenem Lächeln zu. Hermes war wirklich ein lieber kleiner Kerl. Den Kopf in den Händen, die Arme auf die angewinkelten Knie gestützt, machte sie sich Gedanken um ihre Zukunft. Wie froh war sie gewesen, daß sie weder von Roger noch von seinem Onkel schwanger geworden war. Doch von Richard würde sie gerne Kinder bekommen. Diese würden dann auf der Schaukel sitzen wie Hermes eben, und sie würde ihnen dabei zusehen. Sie würde mit ihren Kindern spielen und ihnen vieles beibringen. Richard würde ein fabelhafter Vater sein. Nun, da er den Besitz geerbt hatte, und sie im Streit um Gervais’ Vermögen als Siegerin hervorgegangen war,brauchten sie sich keine Gedanken um finanzielle Probleme mehr zu machen. Endlich, das erste Mal seit langer Zeit, lag das Leben klar und ohne größere Hürden vor ihr. Natürlich, wirklich erleichtert konnte sie sich erst fühlen, wenn der Mörder von Richards Vater gefaßt war. Je öfter sie darüber nachdachte, um so sicherer wurde sie, daß es ein Räuber gewesen sein mußte, der den Viscount erschlagen hatte. Eine zwielichtige Gestalt, die sich nachts ins Haus geschlichen hatte mit der Absicht, all das mitzunehmen, was nicht niet- und nagelfest war. Sicher war er vom Hausherrn überrascht worden und hatte zugeschlagen, bevor dieser Gelegenheit gehabt hatte, sich zur Wehr zu setzen.
»Kann ich das nicht gut, Mylady?« rief Hermes von der Schaukel her.
»Sehr gut!« bestätigte Catharine. »Halte dich gut fest, Hermes, damit du nicht herunterfällst.«
Sicher würde man den Räuber bald fassen. Sie war da sehr zuversichtlich. Und wenn nicht, War es nicht anzunehmen, daß er versuchen würde, noch einmal in dasselbe Haus einzubrechen. Oder etwa doch?
Ein leises Pfeifen unterbrach ihre Gedanken: Sur le Pont d’Avignon on y dance, on y dance, sur le pont d’Avignon… Dieses lied kannte sie. Roger hatte es immer gepfiffen, wenn er besonders guter Laune war. Catharine fuhr auf. Es war doch nicht möglich, daß Roger in England war? Sie mußte sich irren. Sie blickte um sich, doch sie konnte nichts entdecken. Die Melodie hatte aufgehört, das Wäldchen lag still in der Nachmittagsonne.
»Hast du das Pfeifen auch gehört, Hermes?« rief sie zu dem Kind hinüber.
»Welches Pfeifen, Mylady? Schau nur, wie hoch ich fliegen kann!«
»Komm herunter, Hermes. Es wird Zeit, daß wir nach Hause gehen«, rief Catharine, die sich plötzlich unbehaglich fühlte.
»Ein bißchen noch, Mylady, bitte, wir sind doch gerade erst gekommen.«
»Nein, Hermes, sofort!« Ihre Stimme klang schärfer als beabsichtigt. Hermes bremste erschrocken mit den Schuhen ab und stieg ohne weitere Widerrede von der Schaukel.
»Warum so eilig, chérie ? meldete sich eine leicht spöttischeStimme hinter Catharine. »Es ist doch ein hübsches Fleckchen Erde. Wie geschaffen für ein Wiedersehen zweier Liebender.«
»Roger!« rief Catharine. »Das kann doch nicht möglich sein! Was bringt dich nach England?«
»Ist mein Platz denn nicht an der Seite meiner Gattin?« fragte der Franzose.
»An der Seite deiner Gattin?« wiederholte Catharine verständnislos. »Du meinst, Jeannette ist auch in England?«
Der Marquis machte eine
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