Hochzeit in St. George (German Edition)
noch nicht. Also wird es höchste Zeit.«
Ein Diener trat aus dem Haus, um den Herren die gewünschten Angelgeräte zu überreichen, und die beiden machten sich auf den Weg.
Catharine hatte Mrs. Mellvin gebeten, aus der Dienerschaft einen Burschen auszuwählen, der geeignet war, Mr. Alfred Wiilowby als Kammerdiener zu dienen, und der gerne mit dem Cousin ihres Mannes nach London übersiedeln würde. Die Haushälterin schlug mit sicherem Instinkt Lionel vor, einen großgewachsenen Bursehen mit feinen Gesichtszügen und kräftigen Händen, der gewohnt war, zuzupacken. Seine Sprache war die der Gegend, die er bisher noch nie verlassen hatte. Doch er war sichtlich bemüht, die feine Sprechweise seiner Gesprächspartner zumindest ansatzweise nachzuahmen.
Alfred war mit der von Mrs. Mellvin getroffenen Wahl hochzufrieden. Er bedankte sich tausendmal bei Richard und Catharine und versicherte, es sei ihm ein Vergnügen, Frank endlich den Koffer vor die Tür zu stellen. Der junge Lionel war außer sich vor Freude. Er begann umgehend, sich von den Verwandten und Freunden zu verabschieden, und packte seine Habseligkeiten. Die Chance, nach London zu gehen, noch dazu als Diener eines vornehmen Herrn, der Cousin seines neuen Viscount war – wie sehr ihn da die gleichaltrigen Freunde beneideten. Auch das Problem, eine Köchin für Alfred, Lionel und den Butler zu finden, der eben allein und verlassen das Haus in der Mount Street hütete, konnte zufriedenstellend gelöst werden. Catharine war gerade dabei, ein Schreiben an Lady Christlemaine aufzusetzen und ihre Freundin zu bitten, eine passende Köchin, die sich auch um den übrigen Haushalt kümmern konnte, für sie zu engagieren, als Mrs. Blenchem in der Bibliothek erschien und um eine Unterredung bat.
Ihre Worte waren ausführlich und gipfelten in der Aussage: »Sie benötigen mich doch hier nicht, Mylady. Das Haus wird von Mrs. Mellvin betreut. Eine tadellose Person, die alles fest im Griff hat. Und ich bin nun einmal ein Stadtmensch, wissen Sie. Habe immer in der Stadt gelebt. Die Landluft ist nichts für eine wie mich. Macht mich müde und träge. Außerdem muß ich mich doch um Mr. Burley kümmern. Das habe ich ihm fest versprochen. Und ich kann kochen. Wenn Sie also nichts dagegen haben, Mylady…«
Catharine hatte nichts dagegen. Und so setzte sich am folgenden Nachmittag der kleine Zugzweier Kutschen in Bewegung. Voran das elegante, schwarz glänzende Fahrzeug Seiner Lordschaft, mit dem nicht minder eleganten Kutscher an den Zügeln, gefolgt von Alfreds kleiner, unscheinbarer Kutsche. Er hatte sie auf der Herfahrt selbst gelenkt, doch nun genoß er es, in dem viel besser gefederten, modernen Wagen und in Gesellschaft seines Freundes zu reisen. Mrs. Blenchem saß daher allein im zweiten Wagen, Lionel mit fachkundiger Hand auf dem Kutschbock.
Die Zurückgebliebenen winkten dem Konvoi noch lange nach, bis er um die breite Kurve verschwunden war. Als er nicht mehr zu sehen war, wandte sich Hugh an seinen Gastgeber: »Ich würde dich gerne unter vier Augen sprechen, Richard«, sagte er. »Es geht um unsere bevorstehende Hochzeit.«
»Wenn ihr über die Hochzeit sprecht, dann möchte ich dabeisein«, begehrte Hetty auf. »Es ist ja schließlich auch meine Hochzeit.«
»Aber das ist gar nicht comme il faut, meine liebe Schwester«, meldete sich ihr Bruder George zu Wort. »Sieh nur, wenn dein lieber Zukünftiger ein so strenges Gesicht macht wie eben jetzt, dann erscheint es ratsam, ihm nicht zu widersprechen. Ich habe eine bessere Idee : Wir lassen die beiden gestrengen Herren den Ehevertrag aushandeln, und wir beide verschwinden auf den Dachboden. Noch ist es hell genug. Ich möchte sehen, ob sich irgendwelche Schätze aus den Kindertagen wiederfinden.«
Hetty klatschte in die Hände. »Das ist eine tolle Idee! Du hast recht, George. Verhandelt alleine, ihr Lieben. Komm, George, ich bin schon ganz aufgeregt.« Den Arm um die Schulter seiner Schwester gelegt, verschwand George mit Hetty im Haus.
Eine seltsame Familie, diese Willowbys, dachte Catharine, die den beiden nachsah. Sie hatte gedacht, die Geschwister seien aufeinanderböse, zerstritten oder gar verfeindet Und nun lebten sie zusammen in bester Harmonie. Es war reine Nachlässigkeit gewesen, daß sie sich in den vergangenen Jahren nie gesehen oder sich umeinander gekümmert hatten. Nun sie, Catiharine, hatte einen stärker ausgeprägten Familiensinn. Wäre da nicht ihre Schwägerin Esther gewesen, hätte sie
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