Hochzeit in St. George (German Edition)
den Boden geworfen hatte, aufzusammeln und in den Sekretär zurückzulegen. »Wir sprechen morgen weiter. Ich bin jetzt zu müde, um klar zu denken. Wenn ich bitte den Schlüssel haben könnte.«
Alfred ließ den Schlüssel in seine ausgestreckte Hand fallen. Richard sperrte den Rollsekretär zu. »Ich werde mir den Schlüssel um den Hals hängen. Du würdest mich schon ermorden müssen, damit er noch einmal in deine Hände fällt.«
Catharine ließ einen erstickten Aufschrei hören.
»Ich bin doch kein Mörder, Richard«, sagte sein Cousin entrüstet. »Du glaubst doch hoffentlich nicht, daß ich es war, der deinen Vater umbrachte. Nicht wahr, Richard, das glaubst du doch nicht!«
»Ich bin sicher, daß du es nicht warst, beruhige dich, Alfred«, sagte Richard, bereits zum Gehen gewandt. »Du bist nicht so dumm, den Dukatenesel zu erschlagen, der dir ein gesichertes Einkommen garantierte.«
Als Catharine und Richard am nächsten Morgen zum Frühstück erschienen, waren die Gäste schon vollzählig um den gedeckten Tisch versammelt. Es war offensichtlich, daß Alfred ihnen soeben gestanden hatte, daß er es gewesen war, der den verstorbenen Viscount über das Leben von Richard und Lord Bridgegate auf dem laufenden gehalten hatte.
»Aber Alfred!« rief der ehrenwerte Hugh Deverell entsetzt »So etwas Schändliches ist mir mein ganzes Leben noch nicht untergekommen.«
»Ich weiß«, murmelte der Gescholtene schuldbewußt. »Und ich würde auch verstehen, wenn ihr mir eure Freundschaft aufkündigtet. Ich hätte noch heute nacht dieses Haufe verlassen, wenn Richard mich nicht zurückgehalten hätte. Ach, da bist du ja, Richard«, sagte er an seinen Gastgeber gewandt. »Wie du siehst, habe ich es bereits gebeichtet.«
»Ich könnte dir den Kragen umdrehen«, murmelte der Beau. »Und so jemanden hielt ich für meinen Freund.«
»Ich weiß, ich weiß. Alle Vorwürfe, die ihr mir an den Kopf werfenmögt, sind berechtigt. Ich bitte euch aber auch zu bedenken, wie ich mich ohne die Zahlungen meines Onkels je hätte über Wasser halten können. Die Wohnung in der Jermyn Street ist teuer. Frank, mein Diener, auch, obwohl ich den Burschen lieber heute als morgen hinauswerfen würde. Er ist unverschämt und frech. Aber wo finde ich einen neuen, der bereit ist, für den Lohn zu arbeiten, den ich ihm bieten kann? Ich habe von meinem Vater nichts geerbt, wie ihr wißt. Papa war ja nur ein zweiter Sohn, und da war nicht viel zu holen. Am Spieltisch kann ich auch nicht mein Glück machen, da ich es mir gar nicht leisten kann, zu spielen.« Er schwieg verlegen und blickte angestrengt auf seinen Teller, als wagte er es nicht, seinen Freunden in die Augen zu sehen.
Die anderen schwiegen betroffen. Sie hatten sich um die finanzielle Lage ihres Freundes nie ernsthafte Gedanken gemacht. Natürlich wußten sie, daß er kein nennenswertes Vermögen besitzen konnte. Doch daß es ihm am Nötigsten fehlte, hatte keiner von ihnen geahnt. Richard erschütterte am meisten, daß sein Vetter nicht aus dem Grund nicht spielte, weil es ihm kein Vergnügen bereitete, sondern deshalb, weil er gar nicht die Mittel hatte, um die an Spieltischen üblichen hohen Einsätze machen zu können. Dafür hatte er, selbst in seinen schlechtesten Zeiten, immer genügend Geld aufgebracht.
»Du kannst die Wohnung aufgeben und in die Mount Street ziehen«, schlug er zur Überraschung aller vor. »Und deinen Diener, wirf ihn hinaus. Wir werden einen neuen für dich finden.«
Alfred glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. »Ist das dein Ernst?« fragte er stammelnd.
»Mein voller Ernst.« Dann besann sich Richard auf seine Rolle als Ehemann und sah Catharine fragend an: »Es ist dir doch recht, nicht wahr?«
»Aber sicher ist es das!« stimmte Catharine zu und drückte Richard warm die Hand. »Es ist gut, wenn jemand in der Mount Street wohnt, während wir auf Wild Rose Manor weilen.«
»Ja, Catharine und ich haben nämlich beschlossen, das Trauerjahr hier zu verbringen. Es gibt viel für uns zu tun.«
»Richard, ich erkenne dich kaum wieder«, meldete sich Hugh zu Wort und schenkte seinem Freund einen anerkennenden Blick. »Soll das heißen, du bist bereit, Verantwortung zu übernehmen? Das ist ja eine völlig neue Seite an dir.«
»Ich bin jetzt schließlich das Familienoberhaupt, nicht wahr?« stellte Richard fest, als sei das das Selbstverständlichste auf der Welt. Ich hab's von Anfang an gewußt, daß ihm die Ehe mit Catharine guttun wird, dachte Hugh
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