Hochzeit in St. George (German Edition)
Fuße der Treppe, die in das obere Geschoß hinaufführte. Er war eben dabei, seinen Umhang und seinen hohen Reithut in Kermins Obhut zu übergeben. Da blickte er sich um und zuckte sichtlich zusammen, als er seiner Verlobten ansichtig wurde. »Wie lange, sagten Sie, müssen Sie diese schrecklichen schwarzen Kleider noch tragen? Ich weiß nicht, ob ich das ertrage.«
Catharine dachte nicht daran, auf diese freimütige Kritik zu antworten. »Guten Morgen«, sagte sie statt dessen.
»Guten Morgen, Mylady«, meldete sich nun Kermin zu Wort und eilte herbei, um seiner neuen Herrin die Garderobe abzunehmen.
»Wo sind Sie gewesen?« fragte Willowby und warf einen Blick in den Spiegel, um den Sitz seines Halstuches zu kontrollieren. »Haben Sie diese Speziallizenz?«
»Sie wird heute abend gebracht«, antwortete Catharine. »Haben Sie inzwischen mit einem Pfarrer gesprochen?«
Richard nickte. »Habe ich«, sagte er. »War ein verdammt unangenehmes Gespräch. Der gute Mann vermutete einen dubiosen Grund für unsere überstürzte Heirat. Er wollte mir ins Gewissen reden, nicht unüberlegt diesen wichtigen Schritt zu tun.«
Richard lachte. »Zum Glück habe ich kein Gewissen. Also fielendiese salbungsvollen Worte nicht auf fruchtbaren Boden. Wenn wir die Lizenz haben, bleibt ihm nichts anderes übrig, als uns zu trauen.«
Er hielt die Tür zur Bibliothek auf und bat Catharine mit einer Geste einzutreten. Dieser Raum unterschied sich in seiner spärlichen Einrichtung durch nichts von den anderen. Die hohen Bücherschränke waren nur zur Hälfte gefüllt. Ein breiter Ohrensessel stand neben dem Kamin. Der Bezug war verblichen, an manchen Stellen waren Löcher unfachmännisch geflickt worden. Ein zweiter Stuhl stand hinter einem kleinen Schreibtisch. Beide Möbelstücke machten einen verwahrlosten Eindruck. Sie waren wohl deshalb nicht verkauft worden, weil man für sie kaum einen angemessenen Preis erzielt hätte. Die Vorhänge waren, wie überall im Haus, fadenscheinig. Und wie überall im Haus fehlten Teppiche auf dem Holzboden.
Richard war ihrem Blick gefolgt. »Nicht gerade gemütlich, nicht wahr?« stellte er mit bitterem Lächeln fest. »Allerdings gehen die Verkäufe der Bücher und der Möbel und Teppiche hier nicht auf mein Konto. Vater hat sie bereits vor Jahren verkauft. Als er für sein wildes Leben noch Geld brauchte.«
»Jetzt braucht er keines mehr?« fragte Catharine.
Richard schüttelte den Kopf. »Nein. Vater ist solide geworden. Er lebt auf unserem Landsitz nahe Winchester zurückgezogen und fern jeder Ausschweifung. Der Lebenswandel seines ältesten Sohnes ist ihm ein Dorn im Auge. Sicher wird es ihn freuen, wenn er von meiner Verehelichung erfährt. Hoffentlich wiegt er sich möglichst lange in der Illusion, ich würde dadurch ein anständiges, gesetztes Leben beginnen. Wollen Sie sich nicht setzen?« Er schob ihr den breiten Lehnstuhl zurecht und ließ sich, als sie Platz genommen hatte, auf der Schreibtischplatte nieder.
»Und Sie gedenken künftig kein anständiges, gesetztes Leben zu führen?« fragte Catharine mit unschuldigem Lächeln, obwohl sie die Antwort kannte.
Richard lachte auf. »Sehe ich so aus?« fragte er. »Sie haben doch nicht etwa diese Hoffnung? Unsere Ehe ist keine Ehe, sondern ein Geschäft Das ist uns doch beiden klar, nicht wahr?«
»Völlig klar«, bestätigte Catharine.
Richard atmete auf. »Na eben. Ihre erste Ehe… Haben Sie damals aus Liebe geheiratet?«
Catharine erwog kurz, ihm ihre wahre Geschichte zu erzählen. Doch dann entschied sie sich dagegen. Sie kannten sich noch nicht lange genug. Sie wußte nicht, wie Richard darauf reagieren würde.
»Nein«, sagte sie daher schlicht.
Richard war sichtlich überrascht. »Nein?« wiederholte er ungläubig. »Warum haben Sie den Franzosen dann geheiratet?«
»Es gab gute Gründe«, entgegnete sie knapp.
»Das glaube ich«, versicherte Richard. Warum wohl war seine Verlobte so zugeknöpft, wenn sie auf ihre erste Ehe angesprochen wurde? »Liebten Sie damals einen anderen?«
Catharine sah ihn erstaunt an. »Wie kommen Sie denn auf diese Idee?« wollte sie wissen.
Richard lächelte. »Ich hatte so ein Gefühl«, sagte er. »Wie hieß der Mann, den Sie liebten?«
»Roger«, antwortete Catharine.
»Auch ein Franzose?«
Catharine nickte.
»Lieben Sie ihn immer noch?« fragte Richard.
»Wann wird morgen die Trauung stattfindend« wechselte Catharine das Thema. Wie kam er dazu, sie so etwas zu fragen. Natürlich
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