Hochzeit in St. George (German Edition)
Vater streng.
»Ich spreche von der Vergeudung meines Erbes!« berichtigte ihn sein Sohn scharf. Er erwartete den Widerspruch seines Vaters, daß Wild Rose Manor noch lange nicht sein Erbe war. Doch der Widerspruch blieb aus. »Ich habe das Geld Mrs. Mellvin gegeben. Sie verwaltet es für mich«, erklärte er statt dessen.
»Du hast… du hast ihr den gesamten Erlös des Grundstücksverkaufes gegeben?« erkundigte sich Richard fassungslos. »Aber warum denn nur?«
»Mrs. Mellvin meint, sie könne besser damit umgehen. Und sie hat recht. Ist das Haus jetzt nicht fabelhaft instand gesetzt, und sind die Diener nicht viel fleißiger als die alten, die wir hatten?«
Dagegen konnte Richard nichts einwenden. »Du solltest diese Mrs. Mellvin heiraten«, sagte er spöttisch.
Sein Vater sah ihn mit großen Augen an. »Wärest du denn damit einverstanden?« wollte er wissen.
»Ich habe doch nur einen Scherz gemacht«, lachte Richard. »Aberwenn du möchtest, dann kannst du heiraten, wen du willst. Gehst du morgen mit mir zum Fischen?«
So endete dieser Abend überraschend harmonisch, und als Richard gegen elf Uhr unter die dicken Decken seines Bettes schlüpfte, tat er dies in der Zuversicht, daß er alle Mißverständnisse mit seinem Vater aus der Welt geschafft hatte.
XIII.
Richard erwachte am nächsten Morgen, als Kermin ihn unsanft an der Schulter rüttelte. Er versuchte im Halbschlaf den festen Griff seines Dieners abzuschütteln. »Laß mich schlafen!« murmelte er unwirsch.
»Würde ich ja gerne, Master Richard. Aber es geht nicht. Sie müssen aufstehen. Ihr Vater, der Viscount, hatte einen Unfall.«
»Was denn für einen Unfall?« erkundigte sich sein Herr nicht übermäßig interessiert.
»Ihr Vater ist tot«, erklärte Kermin.
Mit einem Ruck saß Richard aufrecht im Bett. »Tot!« entfuhr es ihm. »Das ist unmöglich! Ich habe ihn doch gestern noch gesehen. Wir haben zusammen zu Abend gegessen.«
Kermin nickte. »Ich weiß«, sagte er. »Das ist ja das Fatale. Wollen Sie, daß ich Ihnen Reitkleidung herauslege?«
»Was ist daran fatal, daß ich mit Vater zu Abend gegessen habe?« wollte Richard wissen.
»Ich werde Ihnen eine schwarze Jacke bringen, das macht einen besseren Eindruck«, entschied Kermin. Es klopfte an der Tür, und der Diener, der am Vorabend bei Tisch serviert hatte, trat ein und stellte einen Krug heißes Wasser auf den Waschtisch.
»Danke, Charles!« sagte Kermin freundlich, bevor sich die Tür wieder hinter dem Diener schloß. »Die Herren werden bald da sein. Ich habe daher das Wasser bringen lassen. Würden Sie jetzt aufstehen…«
»Kermin!« unterbrach ihn Richard ungehalten. »Wovon sprichst du die ganze Zeit? Was ist passiert?« Er kletterte aus dem Bett und zog die Schlafmütze von seinen blonden Locken.
»Sie haben den Viscount heute morgen tot aufgefunden. Er saß aufseinem Stuhl im Eßzimmer, den Kopf auf der Tischplatte, und rührte sich nicht mehr. Ich habe ihn mir angesehen. Eine Blutspur führt von seinem Hinterkopf den Kragen hinunter. Mr. Willowby meint, Ihr Vater sei erschlagen worden. Das kann ich natürlich nicht glauben. Obwohl es verdammt danach aussieht.«
»Erschlagen!« rief Richard aus. »Du mußt dich irren. Wer sollte ihn denn erschlagen haben? Was für ein Mr. Willowby war es, der diese dumme Aussage machte? Doch nicht etwa George?«
Kermin schüttelte den Kopf. »Nein, Alfred, Ihr Cousin Alfred. Er hat Ihren Vater heute entdeckt. Diese neue Haushälterin hatte ihn ins Eßzimmer geschickt. Er sollte dort warten, sie wollte den Viscount von seinem Kommen in Kenntnis setzen.«
»Alfred ist hier!« rief Richard ungläubig aus. »Was will denn der von meinem Vater? Soviel ich weiß, hatten die beiden in den letzten Jahren überhaupt keinen Kontakt. Rasch, Kermin, meine Kleider. Ich muß sehen, was hier vorgeht.«
Als er die breite Treppe in die Halle hinabschritt, war Mrs. Mellvin eben dabei, zwei uniformierte Männer einzulassen. »Ah, da sind Sie ja, meine Herren. Ich bin Ihnen so dankbar, daß Sie so rasch gekommen sind. Es ist ja alles so schrecklich, so schrecklich. Der arme Viscount. Bitte treten Sie ein. Ich werde Sie ins Eßzimmer geleiten.«
»Was ist hier los?« fragte Richard von der untersten Stufe der Treppe her.
Mrs. Mellvin fuhr herum. »Ach, Sie sind das, Mr. Willowby. Wie haben Sie mich erschreckt.« Sie kam auf ihn zu und streckte ihm die Hand entgegen. »Mein herzlichstes Beileid, Mr. Willowby. Sie haben es schon gehört. Eine
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