Hochzeit in St. George (German Edition)
packen und ihre Reise nach Frankreich vorzubereiten. Sie war jetzt eine reiche Frau, wie er ihren wenigen Worten hatte entnehmen können. Nichts hielt sie mehr in England. Sicher würde sie in Frankreich einen Palast besitzen. Zu dumm, daß er sich niemals erkundigt hatte, woraus das Erbe bestand. Aber war das nicht auch völlig gleichgültig? Catharine würde nach Frankreich zurückkehren, denn dort wartete nicht nur der Besitz und das Vermögen auf sie, sondern auch dieser Mann, von dem sie gesagt hatte, daß sie ihn liebte. Roger hieß der Mann, das wußte er noch genau. Sein Gesicht verfinsterte sich. Nein, er würde seine Frau diesem Roger nicht kampflos überlassen. Er mußte dringend nach London zurück. Sollte doch diese Mrs. Mellvin alles Nötige hier organisieren. Er hatte Wichtigeres zu tun. Alfred konnte ihr zur Seite stehen. Und Kermin würde hierbleiben, um den beiden auf die Finger zu sehen.
Die Tür ging auf, und Mrs. Mellvin trat ein, eine kleine, schwarze Truhe in Händen, die allem Anschein nach von erheblichem Gewicht war. Sie stellte sie vor ihn auf den Schreibtisch. »Hier ist das Geld, Sir. Und die Bücher. Wenn Sie bitte kontrollieren wollen…«
Richard sprang von seinem Sitz auf. »Nicht nötig«, sagte er. »Ichhabe mich anders entschieden. Behalten Sie das Geld vorläufig noch. Ich fahre morgen früh nach London zurück. Ich lege die Verwaltung von Wild Rose Manor bis auf weiteres in Ihre kundigen Hände.«
»Nach London, Sir?« rief Mrs. Mellvin entgeistert. »Aber das wird nicht gehen. Der Inspektor hat uns doch aufgetragen, uns hier zur Verfügung zu halten. Es wird ihm sicher nicht recht sein…«
»Ich habe nicht vor, ihn zu fragen«, unterbrach Richard sie, »und außerdem habe ich ihm schon alles gesagt, was ich weiß. Schicken Sie jetzt Kermin zu mir. Er wird Ihnen hier zur Seite stehen, bis ich wieder zurückkomme. Und suchen Sie Mr. Willowby. Ich habe ihn seit Stunden nicht mehr gesehen.«
Als Mrs. Mellvin davoneilte, um seine Anweisungen an die Dienerschaft weiterzugeben, öffnete Richard die Truhe. Überrascht hielt er die Luft an: Das war mehr, als er zu träumen gewagt hatte. Er würde einen größeren Betrag für seine Reise nach London mitnehmen. Und einen größeren Betrag würde er Kermin zur Verwahrung übergeben. Vielleicht wollte er in den Tagen, da er selbst nicht hier war, Geld ausgeben, von dem Mrs. Mellvin nichts wissen mußte. Als Kermin erschien, übergab er ihm einige Geldscheine zu treuen Händen und legte ein Blatt Papier in die Kasse, wieviel Geld er entnommen hatte. Dann bat er seinen Diener, Kleidung für einen Tag und eine Nacht in seine Satteltaschen zu packen.
Nun mußte hur noch ein Bote nach Rampstade Palace in Yorkshire gesandt werden, um George Willowby vom Ableben seines Vaters in Kenntnis zu setzen. Ob sich sein jüngerer Bruder bereits wieder in England aufhielt, wußte Richard nicht. Aber sicher würde man in Rampstade wissen, wo ihr Herr zu finden war. Dann erschien Alfred, und die beiden jungen Männer setzten sich zu einem frühen Abendessen nieder. Mrs. Mellvin hatte den Tisch aus Pietätsgründen im Frühstückszimmer decken lassen. Das Speisezimmer sollte nicht mehr benützt werden, bis der Viscount begraben war.
Es war wenig später, gegen sechs Uhr abends, als der Türklopfer energisch betätigt wurde und sich kurz darauf eilige Schritte dem Frühstückszimmer näherten. Die Tür wurde geöffnet, und Inspektor Sandright trat ein, gefolgt von zwei weiteren Uniformierten, die Richard noch nicht kennengelernt hatte.
»Im Namen des Königs«, verkündete der Inspektor den fassungslosenMännern, »und im Auftrag des Friedensrichters, des Honourable Sir Thomas Streighton, verhafte ich Sie, Richard Willowby, wegen Verdachts des Mordes an Viscount Willowby. Wenn Sie bitte mitkommen, Sir.«
XIV.
Noch nie, seitdem Catharine nach London gekommen war, waren ihr die Tage so lang erschienen wie jetzt, da Richard die Stadt verlassen hatte. Sie vermißte sein Lachen beim gemeinsamen Frühstück, das ihr zur lieben Gewohnheit geworden war. Sie sehnte sich nach vertrauten Gesprächen, nach den zärtlichen Blicken in seinen Augen. Und als sie sich beim ersten Ball, den sie nach langer Zeit wieder mit Hetty allein besuchte, mit Mr. Finch-Bottom im Walzertakt drehte, wäre sie vor Sehnsucht am liebsten in Tränen ausgebrochen. Sie war erstaunt, daß Richard einen so großen Raum in ihrem Leben und in ihren Gefühlen einnahm. Jetzt, da ihr eigenes
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