Hochzeit in St. George (German Edition)
stellte seine Fragen mit sachlicher Stimme und notierte Richards Aussagen fein säuberlich, ohne einen Kommentar abzugeben.
Am Nachmittag begann Richard die Vorkehrungen für die Beerdigung seines Vaters zu treffen. Der Leichnam sollte in der Kapelle von Wild Rose Manor aufgebahrt werden, um den Pächtern und Nachbarn die Gelegenheit zu geben, von ihm Abschied zu nehmen. Auch die Verwandten mußten verständigt werden. Richard war alles andere als begeistert über diese ungewohnten Aufgaben. Aber schließlich war er jetzt der Herr des Hauses und der neue Viscount – auch wenn er bis zum Begräbnis seines Vaters nicht so genannt werden wollte. Also fielen ihm diese Aufgaben von selbst zu. Es sei denn, er hätte sie Mrs. Mellvin überlassen. Doch das wollte er nicht. Diese fremde Frau bestimmte für seinen Geschmack ohnehin schon zu vielauf Wild Rose Manor. Sicher, sie hatte das Haus wieder in tadellosen Zustand versetzt. Sie hatte Diener engagiert, die ihre Arbeit ordentlich verrichteten. Und sie hatte verhindert, daß Vater das Geld verschleuderte, das er durch den unrechtmäßigen Grundstücksverkauf erhalten hatte. Eigentlich sollte er ihr dankbar sein. Und er war es in gewisser Weise auch. Wäre da nicht das Gefühl gewesen, sie sähe ihn auch nur als eine Figur im Hause an, über die sie nach ihrem Willen verfügen konnte. Höchste Zeit, daß er zeigte, wer in Zukunft das Kommando übernahm.
Energisch zog er an der Klingelschnur, die neben dem breiten Schreibtisch seines Vaters hing, an dem er saß, um die nötigen Schreiben zu verfassen. Den Diener, der kurz darauf eintrat, um nach seinen Wünschen zu fragen, forderte er auf, Mrs. Mellvin zu holen. Es dauerte nicht lange, und die Haushälterin trat ein. Ihr helles Kleid, das sie noch am Morgen getragen hatte, hatte sie mit einer tiefschwarzen Toilette vertauscht. Auf den roten, aus der Stirn gekämmten Locken saß ein Häubchen aus schwarzer Spitze.
Richard registrierte es mit einem Stirnrunzeln. »Ihre Trauer um meinen Vater in Ehren, Mrs. Mellvin«, sagte er, »aber gehen Sie da nicht ein bißchen zu weit? Man könnte Sie ja glatt für die trauernde Witwe halten, nicht für die Haushälterin. Bitte nehmen Sie Platz.«
Mrs. Mellvin leistete dieser Aufforderung Folge und entgegnete in beleidigtem Tonfall: »Ich habe das Recht, um Ihren Vater zu trauern, Mr. Willowby. Er war mein Herr und immer gut zu mir. Er hat mir ein Heim gegeben, als ich es am dringendsten brauchte. Ich habe meine ganze Kraft dafür eingesetzt…« Es hatte den Anschein, als würde sie im nächsten Augenblick in Tränen ausbrechen.
Richard bereute seine harten Worte. »Es ist gut, Mrs. Mellvin. Natürlich können Sie um meinen Vater trauern, soviel Sie wollen. Ich habe Sie hergebeten, weil ich einiges mit Ihnen zu besprechen habe. Ich bin eben dabei, die nötigen Vorkehrungen für das Begräbnis zu treffen. Wo ist das Geld, das mein Vater für den Grundstücksverkauf erhalten hat? Er sagte, er hätte es Ihnen zur Verwaltung übergeben. Es gehört nun mir. Ich ziehe es vor, es selbst zu verwalten.«
Mrs. Mellvin fuhr aus dem Sessel auf. »Nein, das gebe ich nicht aus der Hand! Sie werden es in kurzer Zeit durchgebracht haben! Nein, nein, das können Sie nicht von mir verlangen.«
»Mrs. Mellvin«, erwiderte Richard streng, »Sie vergessen sich. Ich habe Sie nicht um Ihre Erlaubnis gebeten, ich habe Sie angewiesen, mir das Geld zu übergeben. Also…«
Nun brach Mrs. Mellvin endgültig in Tränen aus. »Oh; entschuldigen Sie, Mr. Willowby, ich bin ganz durcheinander. Natürlich bekommen Sie das Geld. Ich werde es sofort holen. Ich habe genau Buch geführt, wie Sie sehen werden. Ihr Vater hat mir im Monat einen gewissen Betrag für meine persönlichen Bedürmisse genehmigt. Darf ich darauf hoffen, daß Sie ebenso großzügig verfahren werden?«
Richard nickte. »Soweit die Mittel reichen, dürfen Sie das sicherlich«, sagte er, zufrieden, daß das Gespräch eine so erfreuliche Wendung genommen hatte. Mrs. Mellvin schien Vernunft angenommen zu haben und bereit zu sein, sich seinen Wünschen zu fügen.
Während die Haushälterin verschwand, um das Geld zu holen, lehnte sich Richard grinsend in dem breiten Stuhl zurück. Er war tatsächlich dabei, so etwas wie Autorität zu entwickeln, dachte er vergnügt. Wenn ihn Catharine nur so sehen könnte! Er wurde schlagartig ernst: Catharine! Mit schmerzhaftem Ziehen in seiner Brust überlegte er, ob sie wohl eben dabei war, ihre Koffer zu
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