Hochzeit ins Glück (Fürstentraum) (German Edition)
Pater Sebastian läßt fragen, ob Sie ihn einen Augenblick empfangen wollen. Er scheint mir recht aufgeregt.”
“Natürlich, schicken Sie ihn gleich herein.”
Friedrich Bürger verabschiedete sich und gab an der Tür dem Hauskaplan der Hohenthanns die Klinke in die Hand. Der rundliche Pater war sichtlich erhitzt und wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn. Die Fürstin bot ihm erst einmal einen Stuhl an, auf dem der Geistliche unter gemurmelten Dankesworten Platz nahm.
“Nun, Pater, so kenne ich Sie gar nicht”, sagte die Fürstin. “Sie sind doch sonst die Ruhe selbst. Atmen Sie erst einmal richtig durch. Handelt es sich um die Trauung?”
Pater Sebastian war wahrhaftig nicht mehr der Jüngste, doch die Trauung von Hedy und Wilhelm selbst vorzunehmen, war ihm Herzenssache.
“Nein, nein, Durchlaucht, es geht um unser Waisenhaus!”
“Das Waisenhaus?”
Die Fürstin war seit Jahren Patronin des Waisenhauses der Gemeinde. Von allen karitativen Verpflichtungen war ihr diese doch immer die liebste gewesen. Sie widmete der Einrichtung, in der Hedy ihr Praktikum als Erzieherin gemacht hatte, einen großen Teil ihrer Zeit.
“Der Träger ist in der Insolvenz, Durchlaucht”, sagte Sebastian. “Die Mittel reicht nur noch für ein paar Wochen. Wenn wir kein Geld auftreiben, wird die Gemeinde das Haus verkaufen und unsere Kinder auf andere Heime verteilen.”
“Verkaufen? Wer würde denn ein altes Waisenhaus kaufen? Wie würde man das denn nutzen?” fragte Mathilde ratlos.
“Es geht gar nicht um das Gebäude, sondern um das Grundstück!” antwortete der Pater. “Eure Durchlaucht wissen doch, wie herrlich es gelegen ist, direkt oberhalb des Sees mit Blick auf die Mönchszinne. Irgendein Spekulant wird das Haus kaufen, abreißen und dann Gott weiß was dorthin stellen.” An dieser Stelle bekreuzigte sich der Pater hastig.
Das sind wirklich schlechte Nachrichten, dachte Mathilde. Und ausgerechnet jetzt, wo sie alle soviel um die Ohren hatten. Vor einigen Jahren hatte schon einmal jemand versucht, das Grundstück zu kaufen, erinnerte sie sich. Diese Leute hatten allen Ernstes vor gehabt, dort ein Spielcasino zu betreiben. Um die Pläne zu stoppen, hatten Fürst und Fürstin von Hohenthann zur maßlosen Überraschung ihrer Töchter zum ersten und bisher einzigen Mal in ihrem Leben an einer Demonstration teilgenommen. Nicht auszudenken, wenn es diesmal tatsächlich dazu kommen sollte.
“Keine Sorge, Pater”, sagte Mathilde und blickte ihren Mann an. “Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Wir müssen uns eben etwas einfallen lassen.” Gregor nickte bestätigend.
“Ach, ich wußte doch, auf Euer Durchlaucht ist Verlaß”, antwortete Sebastian erleichtert und eilte davon, um sich wieder der Predigt für die Trauungszeremonie zu widmen.
“Das hat uns noch gefehlt”, sagte Gregor leise, der wußte, wie wichtig das Waisenhaus seiner Frau war. Doch Mathilde hatte nicht vor, die Dinge einfach geschehen zu lassen. Sie war fest entschlossen, die Einrichtung zu retten.
2
Von ihrem Büro im fünfzehnten Stock hatte Christine von Hohenthann eine grandiose Aussicht auf den Potsdamer Platz. Tacke Investments nahm volle sechs Etagen des prächtigen Bürogebäudes ein, dessen Kalksteinfassade an diesem sonnigen Junitag in blendender Helle leuchtete. Über Christine waren nur noch die Räume des Vorstands, ein Umstand, der ihr immer wieder vor Augen führte, wie weit sie es schon gebracht hatte und wie weit sie es noch bringen konnte.
Wie klein sahen von hier oben die Menschen aus, die unten auf dem Platz umherwimmelten und ihren alltäglichen Geschäften nachgingen.
Auf den Straßen, soweit man sie überhaupt von den Bürgersteigen und Fußwegen trennen konnte, herrschte das übliche Durcheinander aus Autos, Bussen und den allgegenwärtigen Taxen. Von hier oben sah es aus, als wären sämtliche Verkehrsregeln aufgehoben und durch das Recht des Stärkeren ersetzt worden. Aus Richtung Anhalter Bahnhof versuchte ein Krankenwagen mit Blaulicht den Platz zu überqueren, aber es war kein Durchkommen. Zur Leipziger Straße staute sich der Verkehr auf drei Spuren, so weit wie sie sehen konnte. Der Lärm da unten mußte ohrenbetäubend sein, doch durch die dreifache Isolierverglasung drang nur ein leises Summen. Nach einem Blick auf den Turm der Deutschen Bahn gleich vis-a-vis wandte sich Christine mit einem kleinen Seufzer wieder den Papieren auf ihrem Schreibtisch
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