Hochzeit kommt vor dem Fall
hatte. Drittens war Foster enttäuscht; er fühlte sich seit eh und je um die Beförderung gebracht, die ihm seiner Meinung nach zustand – da er ein sehr guter Beamter war, bei dem es nur immer wieder irgendwie an diesem oder jenem haperte, verstand er seine vergleichsweise Erfolglosigkeit nicht und argwöhnte, daß Kirk etwas gegen ihn hatte. Und viertens tat Foster nie etwas, was nicht absolut korrekt gewesen wäre; das war vielleicht seine eigentliche Schwäche, zeigte es doch, daß es ihm an Phantasie mangelte, sowohl bei der Arbeit als auch im Umgang mit den ihm Unterstellten.
Kirk, der sich trotz seines Alters und Ranges merkwürdig unterlegen fühlte, wartete ab, bis Foster über den Einbruch in Snettisley alles gesagt hatte, was es zu sagen gab, dann erklärte er ihm den Fall Talboys in allen Einzelheiten. In den Grundzügen wußte Foster ja schon Bescheid, weil Paggleham im Distrikt Pagford lag. Eigentlich hatte Sellon ja auch zunächst ihn verständigt, kurz nachdem die Meldung aus Snettisley gekommen war. Da er nicht an zwei Orten gleichzeitig sein konnte, hatte er in Broxford angerufen und um Anweisungen gebeten. Kirk hatte ihm gesagt, er solle nach Snettisley fahren; er (Kirk) werde sich persönlich um den Mordfall kümmern. So stellte Kirk sich immer zwischen ihn und alles Wichtige. Nach seiner Rückkehr nach Pagford hatte er einen eigenartig unbefriedigenden Bericht von Sellon vorgefunden – und keinen Sellon und auch keine Nachricht von ihm. Während er das noch zu verdauen versuchte, hatte dann Kirk nach ihm geschickt. Also bitte, hier war er: bereit, sich alles anzuhören, was der Polizeidirektor ihm zu sagen hatte. Es wurde überhaupt Zeit, daß man ihm endlich etwas sagte.
Ihm gefiel dann aber gar nicht, was ihm gesagt wurde. Und je länger diese schändliche Geschichte dahindröhnte, desto mehr bekam er das Gefühl, daß ihm ein Vorwurf gemacht wurde – wofür? Anscheinend dafür, daß er Joe Sellons Baby nicht trockengelegt hatte. Das war ausgesprochen ungerecht. Erwartete der Polizeidirektor etwa von ihm, daß er das Haushaltsbuch jedes Dorfkonstablers im Distrikt Pagford persönlich kontrollierte? Er hätte sehen müssen, daß dieser junge Mann »etwas auf dem Herzen« hatte – also, das hatte er gern. Junge Konstabler hatten immer etwas auf dem Herzen – meist Frauen, wenn es nicht gerade berufliche Eifersucht war. Er hatte gerade genug zu tun mit den Männern auf der Wache Pagford; aber verheiratete Polizeibeamte in kleinen Dörfern sollten doch gewiß in der Lage sein, sich selbst um ihre Angelegenheiten zu kümmern. Wenn sie von dem sehr großzügigen Gehalt plus Zulagen sich und ihre Familie nicht ernähren konnten, dann hatten sie gefälligst keine Familien zu haben. Er hatte Mrs. Sellon gesehen – ein faules junges Ding, hübsch vor der Heirat, in billigen Tand gekleidet. Er erinnerte sich noch genau, wie er Sellon davor gewarnt hatte, sie zu heiraten. Wenn Sellon, als er in finanzielle Schwierigkeiten geriet, zu ihm gekommen wäre (was er hätte tun sollen, dieser Meinung war er auch), hätte er ihn darauf hingewiesen, daß es ja gar nicht anders kommen konnte, wenn man den Rat seines Vorgesetzten in den Wind schlug. Er hätte ihm auch klargemacht, daß man durch Verzicht auf Bier und Tabak etliches Geld sparen könne – ganz abgesehen von der Rettung der Seele, falls Sellon sich für diesen unsterblichen Teil seiner selbst interessierte. Er (Foster) habe als junger Konstabler jede Woche ein erkleckliches Sümmchen von seinem Gehalt beiseitegelegt.
»Ein gutes Herz ist mehr als Königskronen«, sagte Kirk. »Der das gesagt hat, hat am Ende selbst eine Königskrone getragen. Wohlgemerkt, ich sage nicht, daß Sie auf irgendeine Weise Ihre Pflicht vernachlässigt hätten – aber es ist doch jammerschade, daß einem jungen Beamten die ganze Karriere ruiniert wird, nur weil es ihm an ein wenig Hilfe und Anleitung fehlte. Ganz zu schweigen von dem anderen Verdacht, von dem man nur hoffen kann, daß er sich nicht bestätigt.«
Das war mehr, als Foster stumm ertragen konnte. Er erklärte, daß er seine Hilfe und Anleitung ja angeboten hatte, als Sellon heiraten wollte; dafür war ihm nur nicht gedankt worden. »Ich habe ihm gesagt, daß er da eine Dummheit macht und das Mädchen ihn noch einmal ruinieren wird.«
»So, das haben Sie?« meinte Kirk sanft. »Dann ist es vielleicht kein Wunder, daß er nicht zu Ihnen gekommen ist, als er in die Klemme geriet. Ich weiß nicht, ob ich
Weitere Kostenlose Bücher