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Hochzeit kommt vor dem Fall

Hochzeit kommt vor dem Fall

Titel: Hochzeit kommt vor dem Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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ihm aussprechen als vor seinem eigenen Vorgesetzten. Deswegen durfte man natürlich nicht böse sein; es war ja nur natürlich. Wozu war so ein Gentleman denn sonst da, als daß man mit seinen Sorgen zu ihm ging? Man denke doch nur einmal an den alten Gutsherrn und seine Frau Gemahlin, als Kirk noch ein junger Bursche gewesen war – damals waren alle Leute dort mit ihren Sorgen ein und aus gegangen. Aber leider starb diese Sorte aus. Zu dem neuen Gutsherrn konnte niemand hingehen – zum einen, weil er die halbe Zeit nicht da war, und zum andern, weil er Zeit seines Lebens in der Stadt gewohnt hatte und nicht wußte, wie auf dem Lande das Leben ablief … Aber wie konnte Joe nur so dämlich sein und Seiner Lordschaft eine Lüge auftischen – das war doch das eine, was Leute dieses Schlages nie übersahen; man hatte richtig beobachten können, wie sein Gesicht sich änderte, als er es hörte. Man brauchte schon einen guten Grund, um einen Herrn zu belügen, der Interesse an einem zeigte – und, na ja, an den Grund, den man dafür haben konnte, dachte man lieber nicht.
    Der Wagen hielt vor Mr. Perkins’ Haus, und Kirk wuchtete sich mit einem tiefen Seufzer heraus. Vielleicht hatte Joe am Ende doch die Wahrheit gesagt; der Sache mußte man nachgehen. Inzwischen galt es das Nächstliegende zu tun – war das Charles Kingsley oder Longfellow? – und, o Gott o Gott, da sah man eben, was dabei herauskam, wenn man einen lahmen Hund auf seinen eigenen drei Beinen über den Viehtritt humpeln ließ.
     
    Der Untersuchungsrichter war dem Vorschlag nicht abgeneigt, die Untersuchungsverhandlung im Hinblick auf die laufenden Ermittlungen und die bisher vorliegenden Informationen so förmlich wie möglich ablaufen zu lassen. Kirk war froh, daß Mr. Perkins Jurist war; Mediziner als Untersuchungsrichter hatten oft die eigenartigsten Vorstellungen, sowohl von ihrer eigenen Wichtigkeit als auch von ihren rechtlichen Kompetenzen. Der Polizei war nicht etwa daran gelegen, die Rechte eines Untersuchungsrichters einzuschränken; so eine Untersuchungsverhandlung war unter Umständen sehr geeignet, um Informationen zu gewinnen, an die man sonst nicht herankam. Die dumme Öffentlichkeit hatte sich ja so mit den Empfindungen der Zeugen – typisch; immerzu beschützt werden wollen und einem dann Knüppel zwischen die Beine werfen, wenn man es tat. Die Leute wollten immer alles auf einmal haben. Nein, nichts gegen Untersuchungsrichter – sie sollten sich eben nur der polizeilichen Anleitung anvertrauen, fand Kirk. Mr. Perkins schien jedenfalls keine Schwierigkeiten machen zu wollen; außerdem hatte er eine böse Erkältung und würde nur froh sein, wenn die Sache schnell überstanden war. Damit war das geregelt. Aber nun zu Joe Sellon. Am besten ging Kirk zuerst noch einmal kurz aufs Revier, ob dort etwas Besonderes vorlag, worum er sich kümmern mußte.
    Als er dort ankam, wurde ihm als erstes Joe Sellons Bericht übergeben. Sellon hatte diesen Williams vernommen, und dieser hatte einwandfrei bestätigt, daß Crutchley kurz vor elf Uhr nach Hause gekommen und sofort zu Bett gegangen war. Die beiden Männer bewohnten ein Zimmer gemeinsam, und Williams’ Bett stand zwischen Crutchleys Bett und der Tür. Williams hatte gesagt, er könne sich nicht vorstellen, daß er nicht aufgewacht wäre, wenn Crutchley in der Nacht das Zimmer verlassen hätte, denn die Tür quietsche entsetzlich in den Angeln, und er selbst habe einen leichten Schlaf. Gegen ein Uhr morgens sei er sogar einmal aufgewacht, weil draußen jemand gehupt und an die Garagentür geklopft habe. Das sei ein Handlungsreisender gewesen, der seinen Wagen aufgetankt und ein Leck in der Benzinleitung repariert haben wollte. Als Williams seine Kerze angezündet habe und hinuntergegangen sei, um sich darum zu kümmern, habe er gesehen, daß Crutchley schon geschlafen habe. Das Zimmer habe nur ein kleines Giebelfenster – auf diesem Wege könne niemand hinaus, und es lägen auch keine Anzeichen dafür vor, daß jemand dies versucht habe.
    Das schien ja soweit in Ordnung zu sein – aber es brachte auch nichts, denn allem Anschein nach mußte Mr. Noakes ja schon vor halb zehn tot gewesen sein – falls Mrs. Ruddle nicht log. Und dazu hatte sie, wie Kirk es sah, keinen Grund. Schließlich hatte sie unter großer Selbstüberwindung ihre Anwesenheit im Ölschuppen erwähnt, und das bestimmt nicht zum Spaß. Es sei denn, sie log bewußt, um Sellon in Schwierigkeiten zu bringen. Kirk

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