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Hochzeit kommt vor dem Fall

Hochzeit kommt vor dem Fall

Titel: Hochzeit kommt vor dem Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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wie von Sinnen: »Du Scheusal! Du Scheusal! Wie konntest du nur meinen armen Onkel umbringen!«
    Der Pfarrer wandte sich an Harriet.
    »Verzeihen Sie mir, Lady Peter. Meine Pflicht ruft mich jetzt zu diesem unglücklichen jungen Mann.«
    Sie nickte, und er folgte den übrigen aus dem Zimmer. Mrs. Ruddle war auf dem Weg zur Tür, als der Anblick der von der Kaktusschale herunterhängenden Angelschnur ihr eine plötzliche Erleuchtung gab.
    »Na so was!« rief sie triumphierend. »Das ist aber komisch, muß ich sagen. Genauso war es, wie ich am Mittwochmorgen hier reingekommen bin, um für den Schornsteinfeger sauberzumachen. Ich hab sie noch selbst abgenommen und auf den Boden geworfen.«
    Sie sah sich beifallheischend um, aber Harriet war keines Kommentars mehr fähig, und Peter stand immer noch reglos da. Nach und nach begriff Mrs. Ruddle, daß der Moment für den Applaus verpaßt war, und schlurfte hinaus. Dann löste Sellon sich aus der Gruppe bei der Tür und kam zurück, den Helm schief auf dem Kopf und den Uniformrock am Hals aufgerissen.
    »Mylord – ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen richtig danken soll. Dadurch stehe ich jetzt nicht mehr unter Verdacht.«
    »Schon gut, Sellon. Lassen Sie’s gut sein. Und jetzt seien Sie ein netter Kerl und gehen Sie.«
    Sellon ging, und es wurde still.
    »Peter«, sagte Harriet.
    Er drehte sich um, gerade im rechten Augenblick, um zu sehen, wie Crutchley, von vier Männern kaum gebändigt, am Fenster vorbeigezerrt wurde.
    »Komm, halte mir die Hand«, sagte er. »Dieser Teil der Geschichte macht mich immer fertig.«

EPITHALAMION

I
London: Amende Honorable
    SCHLEHWEIN: Ihr habt doch immer für einen sanftmütigen Mann gegolten, Kamerad.
    HOLZAPFEL: Das ist wahr, mit meinem Willen möcht ich keinen Hund hängen, wieviel mehr denn einen Menschen …
    WILLIAM SHAKESPEARE: VIEL LÄRM UM NICHTS
     
    Miss Harriet Vane pflegte es in den köstlichen Detektivgeschichten, mit denen sie die Herzen aller Freunde des Mordes zu erfreuen gewohnt war, stets so einzurichten, daß sie mit einem brausenden Akkord endeten. Mr. Robert Templeton, jener berühmte, wenngleich exzentrische Detektiv, entlarvte den Mörder im letzten Kapitel mit einem großen Tusch und trat sofort inmitten donnernden Beifalls von der Bühne ab; die Zusammenstellung des Beweismaterials für die Anklage und derlei Nebensächlichkeiten mehr überließ er anderen.
    Im wirklichen Leben mußte sie nun feststellen, daß der berühmte Detektiv, nachdem er hastig ein paar Bissen Brot und Käse zum Mittagessen hinuntergeschlungen hatte, wobei er die ganze Zeit mit den Gedanken woanders war, den restlichen Nachmittag auf dem Polizeirevier zubrachte und endlose Erklärungen abgab. Seine Frau und sein Diener machten ebenfalls ihre Aussagen, dann wurden alle drei ohne Umschweife vor die Tür gesetzt, während die Aussagen des Schornsteinfegers, des Pfarrers und der Zugehfrau protokolliert wurden; woraufhin die Polizei, wenn bis dahin alles gut voranging, die ganze Nacht aufzubleiben bereit war, um den Gefangenen zu verhören. Ein weiterer erfreulicher Aspekt bestand in der Belehrung, daß weder der Detektiv noch irgend jemand aus seiner Gefolgschaft das Land verlassen oder überhaupt den Ort wechseln dürfe, ohne zuvor die Polizei zu informieren, da der Fortgang der Ereignisse eine Reihe von Vorladungen vor den Ermittlungsrichter beinhalten konnte. Als die Detektivfamilie vom Polizeirevier nach Hause kam, fand sie das Haus von etlichen Konstablern besetzt, die photographierten und maßen, bevor sie die Radiotruhe, die Messingkette, den Haken und den Kaktus als Beweisstücke A bis D mitnahmen. Diese waren inzwischen die letzten beweglichen Gegenstände im Haus, abgesehen vom persönlichen Eigentum des Besitzers, denn George und Bill hatten ihre Arbeit beendet und waren mit ihrem Möbelwagen fortgefahren. Es hatte Mühe und Zeit gekostet, ihnen klarzumachen, daß sie die Finger von der Radiotruhe zu lassen hätten, doch hier hatte der Arm des Gesetzes zu guter Letzt obsiegt. Schließlich fuhr auch noch der Polizeiwagen ab, und sie waren allein.
    Harriet schaute sich mit einem merkwürdig leeren Gefühl in dem kahlen Wohnzimmer um. Es war keine Sitzgelegenheit mehr da, nur noch die Fensterbank, also setzte sie sich darauf. Bunter war oben, um Kisten und Koffer zu schließen. Peter ging ziellos im Zimmer auf und ab.
    »Ich fahre nach London«, sagte er unvermittelt. Er sah Harriet mit leerem Blick an. »Was du tun möchtest, weiß

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