Hochzeit kommt vor dem Fall
ich nicht.«
Das war beunruhigend, denn seinem Ton war nicht zu entnehmen, ob er sie in London gern bei sich haben wollte oder nicht. Sie fragte:
»Bleibst du über Nacht in London?«
»Glaube ich nicht. Ich muß Impey Biggs sprechen.«
Da lag also der Haken. Sir Impey Biggs war ihr Verteidiger gewesen, als sie vor Gericht stand, und nun wußte Peter nicht, wie sie auf die Nennung seines Namens reagieren würde.
»Will man ihn als Anklagevertreter haben?«
»Nein; ich will ihn für die Verteidigung haben.«
Natürlich – dumme Frage.
»Crutchley muß natürlich verteidigt werden«, fuhr Peter fort, »obschon er im Moment nicht in dem Zustand ist, über irgend etwas sprechen zu können. Aber man hat ihn überredet, einen Zivilanwalt für ihn tätig werden zu lassen. Ich habe den Mann gesprochen und ihm angeboten, Biggy für ihn zu gewinnen. Crutchley muß ja nicht wissen, daß wir etwas damit zu tun haben. Wahrscheinlich wird er gar nicht danach fragen.«
»Mußt du Sir Impey heute noch sprechen?«
»Möchte ich eigentlich. Ich habe ihn von Broxford aus angerufen. Er ist heute abend im Oberhaus, aber er kann mich kurz empfangen, wenn ich nach der Debatte über irgendein Gesetz hinkomme, das ihm wichtig ist. Da dürfte es für dich ziemlich spät werden, fürchte ich.«
»Nun gut«, sagte Harriet, denn was immer geschah, sie wollte auf jeden Fall vernünftig sein. »Dann nimm mich am besten mit nach London. Wir können in einem Hotel schlafen, wenn du magst, oder im Haus deiner Mutter, wenn die Dienstboten da sind; oder wenn du lieber in deinem Club übernachten möchtest, kann ich jederzeit eine Freundin anrufen, oder ich nehme meinen Wagen und fahre schon nach Denver voraus.«
»Wie bist du doch findig! Also, wir fahren nach London und sehen dann weiter.«
Er schien sehr erleichtert ob ihrer Bereitschaft zu sein, sich selbst um ihr Wohlergehen zu kümmern; kurz darauf ging er hinaus, um irgend etwas am Wagen zu machen. Bunter kam mit besorgter Miene herunter.
»Haben Mylady einen Wunsch, was mit dem schweren Gepäck geschehen soll?«
»Ich weiß nicht, Bunter. Wir können es nicht gut mit nach Denver nehmen, und in London können wir es eigentlich nirgends unterbringen, außer im neuen Haus – und ich glaube nicht, daß wir vorerst dort schon einziehen werden. Und hier möchte ich es nicht gern lassen, wo niemand danach sehen kann, denn wir bleiben womöglich eine ganze Weile fort. Selbst wenn Seine Lordschaft – das heißt, wir müßten hier ein paar Möbel hineinstellen.«
»So ist es, Mylady.«
»Sie haben vermutlich keine Ahnung, wie Seine Lordschaft sich voraussichtlich entscheiden wird?«
»Nein, Mylady. Bedauerlicherweise nicht.«
Seit nahezu zwanzig Jahren hatte Bunter keine Pläne gekannt, die nicht die Wohnung in Piccadilly einbezogen; zum erstenmal im Leben wußte er sich keinen Rat.
»Wissen Sie was?« sagte Harriet. »Gehen Sie zum Pfarrhaus und fragen Sie Mrs. Goodacre, ob wir das Gepäck ein paar Tage bei ihr unterstellen dürfen, bis wir unsere Pläne gemacht haben. Sie kann es uns dann unter Frachtnachnahme nachschicken. Entschuldigen Sie mich bei ihr, daß ich nicht selbst komme. Oder bringen Sie mir ein Blatt Papier, dann schreibe ich ihr ein paar Zeilen. Es wäre mir nämlich lieber, wenn Seine Lordschaft mich hier finden könnte, falls er mich braucht.«
»Ich verstehe vollkommen, Mylady. Wenn ich es mir erlauben darf, möchte ich sagen, daß ich dies für eine ausgezeichnete Regelung halte.«
Man kam sich vielleicht ein bißchen schäbig vor, daß man nicht persönlich hinging, um sich von den Goodacres zu verabschieden. Aber abgesehen von der Frage, was Peter wollte oder nicht wollte, schreckte auch der Gedanke an Mrs. Goodacres Fragen und Mr. Goodacres Wehklagen ein wenig ab. Als Bunter mit einer herzlich gern gegebenen Zusage von der Pfarrersfrau wiederkam, berichtete er, daß auch Miss Twitterton im Pfarrhaus sei, und Harriet war noch froher, davongekommen zu sein.
Mrs. Ruddle schien verschwunden zu sein. (In Wahrheit saßen sie und Bert mit Mrs. Hodges und einigen Nachbarn, die das Neueste gern brandheiß erfahren wollten, bei einem üppigen Sechsuhrtee.) Der einzige Mensch, der noch da war, um ihnen Lebewohl zu sagen, war Mr. Puffett. Er drängte sich aber nicht auf; erst als der Wagen auf den Feldweg einbog, machte er sich bemerkbar, indem er vom Tor zu einem nachbarlichen Anwesen sprang, wo er gesessen und scheinbar nur in Ruhe ein Pfeifchen geraucht
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