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Hochzeit kommt vor dem Fall

Hochzeit kommt vor dem Fall

Titel: Hochzeit kommt vor dem Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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bis ihm plötzlich bewußt wurde, daß Miss Twitterton bei ihnen im Zimmer war.
    »Ich konnte Ihren Füllfederhalter nirgends finden«, sagte sie mit ernstem, bekümmertem Blick. »Hoffentlich –«
    Sie spürte mit einemmal die merkwürdig gespannte Atmosphäre, und ihr Blick fiel auf Joe Sellon, der mit dämlich aufgerissenem Mund genau in die Richtung starrte, die alle anderen gerade mieden.
    »Großer Gott!« rief Miss Twitterton. »Was ist denn das? Wie kommt Onkels Kaktus nur da oben hin?«
    Sie schoß geradewegs auf die Radiotruhe zu. Peter fing sie ab und riß sie zurück.
    »Ich glaube nicht«, sagte er vieldeutig über die Schulter zurück zu Mr. Kirk, während er Miss Twitterton in die Ecke führte, wo der Pfarrer noch immer wie versteinert vor Staunen stand.
    »Also«, sagte Kirk, »nun wollen wir es genau wissen. Wie soll er das nach Ihrer Vorstellung gemacht haben?«
    »Wenn die Falle am Abend des Mordes, als Crutchley um zwanzig nach sechs das Haus verließ, so aufgebaut war wie jetzt –« (Miss Twitterton ließ ein schwaches Quieken vernehmen) »– und Noakes dann wie immer um halb zehn hereinkam, um das Radio einzuschalten und die Nachrichten zu hören –«
    »Was er jeden Abend tat«, sagte Mrs. Ruddle, »pünktlich wie die Uhr.«
    »Nun, dann –«
    Harriet war ein Einwand eingefallen, und mochte Peter von ihr denken, was er wollte, sie mußte ihn vorbringen.
    »Peter – kann es denn sein, daß jemand – selbst bei Kerzenlicht – auf die Radiotruhe zugeht, ohne zu merken, daß der Kaktus nicht da ist?«
    »Ich glaube –«, sagte Peter.
    Die Tür wurde so schnell aufgestoßen, daß sie Mrs. Ruddle schmerzhaft am Ellbogen traf – und Crutchley kam herein. In der einen Hand hielt er die Stehlampe, und offenbar war er hereingekommen, um auf dem Weg zum Möbelwagen draußen noch etwas zu holen, denn er rief einer unsichtbaren Person hinter ihm zu:
    »Gut – ich hole ihn und schließe sie für dich ab.«
    Er war schon auf der Höhe der Radiotruhe, ehe Peter fragen konnte:
    »Was wollen Sie, Crutchley?«
    Sein Ton ließ Crutchley den Kopf drehen.
    »Den Schlüssel vom Radio, Mylord«, sagte er knapp, und während er immer noch Peter dabei ansah, hob er den Deckel.
    Für den millionsten Teil einer Sekunde stand die Welt still. Die schwere Schale kam heruntergesaust wie ein Dreschflegel. Sie blitzte im Sturz. Sie verfehlte Crutchleys Kopf um Zentimeter, ließ im Vorbeifliegen bleiches Entsetzen in sein Gesicht treten und zerschlug den gläsernen Lampenschirm in tausend klirrende Scherben.
    Und da erst merkte Harriet, daß sie alle aufgeschrien hatten, auch sie selbst. Dann trat sekundenlange Stille ein, während das große Pendel in einem blitzenden Bogen über ihnen schwang.
    Peter sagte warnend:
    »Bleiben Sie da, Hochwürden.«
    Seine Stimme löste die Spannung. Crutchley fuhr zu ihm herum, sein Gesicht war das eines wilden Tieres.
    »Sie Teufel! Sie hinterhältiger Teufel! Woher wußten Sie das? Verflucht – wie sind Sie darauf gekommen, daß ich es war? Ich drehe Ihnen den Hals um!«
    Er machte einen Satz nach vorn, und Harriet sah, wie Peter in Abwehrstellung ging; aber Kirk und Sellon hatten Crutchley schon gepackt, als er unter dem Todespendel hervorkam. Fauchend und keuchend kämpfte er mit ihnen.
    »Laßt mich los, verdammt noch mal! Laßt mich hin zu ihm! Sie haben mir eine Falle gestellt, ja? Na schön, ich habe ihn umgebracht, jawohl! Das Schwein hat mich betrogen. Und du auch, Aggie Twitterton, hol dich der Teufel! Ich bin um mein Recht betrogen worden. Ja, ich habe ihn umgebracht, sage ich, und alles umsonst!«
    Bunter ging ruhig hin, fing die schwingende Kaktusschale und hielt sie fest.
    Kirk sagte soeben:
    »Frank Crutchley, ich verhafte Sie …«
    Die weiteren Worte gingen im wütenden Gebrüll des Verhafteten unter. Harriet ging ans Fenster. Peter hatte sich nicht gerührt. Er überließ es Bunter und Puffett, der Polizei zu helfen. Selbst mit dieser Verstärkung hatten sie alle Hände voll zu tun, Crutchley aus dem Zimmer zu schleifen.
    »Ach Gott!« sagte Mr. Goodacre. »Das ist ja ganz fürchterlich.« Er nahm sein Chorhemd und die Stola.
    »Haltet ihn von mir weg!« kreischte Miss Twitterton, als die kämpfende Gruppe an ihr vorbeiwankte. »Wie grauenhaft! Haltet ihn weg von mir! Wenn ich mir vorstelle, daß ich ihn an mich herangelassen habe!« Ihr kleines Gesichtchen war vor Wut verzerrt. Sie rannte hinter ihnen her, schüttelte die geballten Fäuste und schrie

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