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Hochzeit kommt vor dem Fall

Hochzeit kommt vor dem Fall

Titel: Hochzeit kommt vor dem Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Schlüssel nachts?«
    »Immer bei mir im Schlafzimmer. Die Schlüssel, die silberne Teekanne meiner lieben Mutter und Tante Sophies Essig- und Ölkännchen, die sie meinen Großeltern zur Hochzeit geschenkt hat. Die nehme ich jeden Abend mit hinauf und stelle sie auf das Tischchen neben dem Bett, zusammen mit der Tischglocke für den Fall, daß es mal brennt. Und ich bin sicher, daß niemand hereinkommen konnte, während ich schlief, weil ich immer einen Liegestuhl oben quer über die Treppe stelle.«
    »Sie hatten die Tischglocke bei sich, als Sie uns öffnen kamen«, sagte Harriet, wie zur Bestätigung. Ihre Aufmerksamkeit wurde durch Peters Gesicht abgelenkt, das durch die Rautenscheiben des Fensters hereinschaute. Sie winkte ihm kurz zu. Wahrscheinlich hatte er den Anfall von Befangenheit überwunden und zeigte wieder Interesse.
    »Einen Liegestuhl?« fragte Kirk.
    »Damit der Einbrecher darüber stolpert«, erklärte Miss Twitterton vollkommen ernst. »Eine großartige Idee. Sehen Sie, während er darüber stolperte und Lärm machte, konnte ich ihn hören und durchs Fenster nach der Polizei läuten.«
    »Du lieber Himmel!« rief Harriet. (Peters Gesicht war verschwunden – vielleicht kam er wieder herein.) »Wie rücksichtslos von Ihnen, Miss Twitterton. Der arme Mann hätte doch die Treppe hinunterfallen und sich das Genick brechen können.«
    »Welcher Mann?«
    »Der Einbrecher.«
    »Aber liebe Lady Peter, ich versuche doch gerade zu erklären – es war noch nie ein Einbrecher da.«
    »Na ja«, sagte Kirk, »jedenfalls sieht es nicht so aus, als ob jemand anders an die Schlüssel hätte herankommen können. Nun, Miss Twitterton – was die Geldschwierigkeiten Ihres Onkels –«
    »O Gott, o Gott!« unterbrach Miss Twitterton ihn mit ungespielter Verzweiflung. »Davon wußte ich doch gar nichts. Es ist fürchterlich. Das hat mir so einen Schlag versetzt. Ich dachte immer – wir alle dachten immer – Onkel lebte in so guten Verhältnissen.«
    Peter war so still hereingekommen, daß nur Harriet ihn bemerkte. Er blieb bei der Tür stehen, zog seine Taschenuhr auf und stellte sie nach der Uhr an der Wand. Offensichtlich hatte er sich wieder beruhigt, denn sein Gesicht drückte nur waches Interesse aus.
    »Wissen Sie, ob er ein Testament gemacht hat?«
    Mr. Kirk ließ die Frage wie beiläufig fallen; das verräterische Blatt Papier lag unter dem Notizbuch verborgen.
    »O ja«, sagte Miss Twitterton, »das hat er bestimmt. Eine Rolle hätte es sicher nicht gespielt, weil ich sowieso die einzige bin, die von der Familie noch übrig ist. Aber ich bin ziemlich sicher, daß er es mir sogar gesagt hat. Immer wenn ich mir um irgend etwas Sorgen machte – ich bin ja nun gar nicht wohlhabend –, hat er gesagt: Nun hab’s nicht so eilig, Aggie. Ich kann dir jetzt nicht helfen, weil mein Geld im Geschäft festliegt, aber wenn ich mal tot bin, bekommst das alles du.«
    »Aha. Sie haben nie daran gedacht, daß er seine Absicht ändern könnte?«
    »Nein, warum? Wem hatte er es denn sonst hinterlassen sollen? Ich bin doch die einzige. Jetzt muß ich wohl annehmen, daß gar nichts da ist, nicht?«
    »So sieht es leider aus.«
    »Ach Gott! So war das dann wohl auch gemeint, als er sagte, sein Geld liege im Geschäft fest? Daß keins da war?«
    »So ist das oft gemeint«, sagte Harriet.
    »Dann war das also –«, begann Miss Twitterton und unterbrach sich.
    »Dann war das also was?« half Kirk nach.
    »Nichts«, sagte Miss Twitterton bekümmert. »Mir war da nur etwas eingefallen. Etwas Privates. Aber er hat einmal gesagt, daß er knapp bei Kasse sei und die Leute ihre Rechnungen nicht bezahlten … Oh, was habe ich nur getan! Wie erkläre ich das nur –«
    »Was?« fragte Kirk wieder dazwischen.
    »Ach, nichts«, erwiderte Miss Twitterton hastig. »Es klingt nur so dumm von mir.« Harriet gewann den Eindruck, Miss Twitterton habe ursprünglich etwas ganz anderes sagen wollen. »Er hat sich einmal etwas von mir geborgt – nicht viel, denn ich hatte ja nicht viel. Ach Gott! Ich glaube, es klingt fürchterlich, daß man in so einem Augenblick an Geld denkt, aber … ich hatte wirklich gedacht, ich hätte etwas für meine alten Tage … und die Zeiten sind so schwer … und … und … die Miete für mein Häuschen … und …«
    Ihre Stimme zitterte, sie war den Tränen nah. Harriet sagte verwirrt:
    »Machen Sie sich keine Sorgen. Es wird sich bestimmt etwas ergeben.«
    Kirk konnte nicht widerstehen. »Mr. Micawber!«

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