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Hochzeit kommt vor dem Fall

Hochzeit kommt vor dem Fall

Titel: Hochzeit kommt vor dem Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Man mischte sich nicht ein, wenn einer gerade seinen Untergebenen herunterputzte. Trotzdem – » Leid? Das ist mir ein schönes Wort! Sie – ein Polizeibeamter, und halten wichtige Beweismittel zurück? Und können dazu nur sagen, daß es Ihnen leid tut?«
    (Pflichtversäumnis – ja, das war der erste Gedanke.)
    »Ich wollte nicht –«, begann Sellon. Dann sagte er wütend: »Ich wußte nicht, daß die alte Schachtel mich gesehen hatte.«
    »Was spielt es, zum Teufel noch mal, für eine Rolle, wer Sie gesehen hat?« rief Kirk mit zunehmender Empörung. »Sie hätten mir das gleich als erstes sagen müssen … Mein Gott, Joe Sellon, ich weiß nicht, was ich von Ihnen halten soll. Auf mein Wort, ich … Sie können was erleben!«
    Der geknickte Sellon wußte nicht, was er mit seinen Händen anfangen sollte, und konnte zur Antwort nur bedrückt wiederholen:
    »Es tut mir leid.«
    »Und jetzt passen Sie mal auf«, sagte Kirk mit einem drohenden Unterton. »Was hatten Sie da zu suchen, daß Sie es auch noch verheimlichen wollten? … Reden Sie! … Halt, Moment, Moment noch.« (Jetzt ist es ihm eingefallen, dachte Peter und drehte sich um.) »Sie sind doch Linkshänder, nicht wahr?«
    »O mein Gott, Sir, o mein Gott! Ich hab’s nicht getan! Ich schwöre, ich hab’s nicht getan! Weiß der Himmel, ich hatte Grund genug dazu, aber ich war’s nicht – ich habe ihn nie angerührt –«
    »Grund? Was für einen Grund? Los jetzt, heraus damit! Was hatten Sie mit Mr. Noakes zu schaffen?«
    Sellon warf verzweifelte Blicke um sich. Hinter ihm stand Peter Wimsey mit undurchdringlicher Miene.
    »Ich habe ihn nicht angerührt. Ich habe ihm überhaupt nichts getan. Und wenn ich tot umfallen müßte, Sir, ich bin unschuldig.«
    Kirk schüttelte den massigen Kopf wie ein Stier, den die Fliegen ärgern.
    »Was hatten Sie um neun Uhr dort zu suchen?«
    »Nichts«, sagte Sellon eigensinnig. Die Verzweiflung war von ihm abgefallen. »Ich wollte nur guten Tag sagen.«
    »Guten Tag sagen!« äffte Kirk ihn mit solcher Verachtung und Wut nach, daß Peter sich ein Herz faßte und eingriff.
    »Hören Sie mal her, Sellon«, sagte er mit einer Stimme, die schon manchen armen Landser dazu gebracht hatte, ihm sein Herz auszuschütten. »Sie sollten Mr. Kirk jetzt lieber reinen Wein einschenken. Egal was es ist.«
    »Das ist mir ja eine schöne Geschichte«, grollte Kirk.
    »Ein Polizeibeamter –«
    »Haben Sie Nachsicht, Herr Polizeidirektor«, sagte Peter. »Er ist noch so jung.« Er zögerte. Vielleicht fiel es Sellon leichter, wenn keine Außenstehenden zuhörten. »Ich gehe mal eben in den Garten«, sagte er begütigend. Sellon fuhr herum wie der Blitz.
    »Nein, nein! Ich mache reinen Tisch. O mein Gott, Sir! – Gehen Sie bitte nicht, Mylord. Sie nicht … Was habe ich da für einen Blödsinn angestellt!«
    »Das passiert jedem hin und wieder«, sagte Peter milde.
    »Sie werden mir glauben, Mylord … O Gott, das bricht mir das Genick.«
    »Mich würd’s nicht wundern«, sagte Kirk grimmig.
    Peter warf einen Blick zum Polizeidirektor, sah, daß auch er den Appell an eine Autorität, die höher war als die eigene, erkannte, und setzte sich auf die Tischkante.
    »Nun nehmen Sie sich zusammen, Sellon. Mr. Kirk ist nicht der Mann, der hart oder ungerecht zu jemandem wäre. Also, was ist da los?«
    »Nun ja … es geht um diese Brieftasche von Mr. Noakes – die er verloren hat –«
    »Vor zwei Jahren – nun gut, was ist damit?«
    »Ich habe sie gefunden … Ich – ich – er hatte sie auf der Straße verloren – zehn Pfund hatte er darin. Ich – meiner Frau ging es so furchtbar elend nach dem Baby – der Arzt hat gesagt, sie braucht eine besondere Behandlung – ich hatte nichts gespart – und so hoch ist das Gehalt ja nicht, die Beihilfe auch nicht – was bin ich für ein Narr gewesen! Ich hatte es gleich zurückzahlen wollen. Ich dachte, er kann es verschmerzen, weil er doch genug hat. Ich weiß, daß man von unsereinem Ehrlichkeit erwartet, aber wenn man einen Menschen so in Versuchung führt …«
    »Ja«, sagte Peter, »unser großzügiger Staat erwartet für zwei bis drei Pfund die Woche eine Menge Ehrlichkeit.«
    Kirk schien es die Sprache verschlagen zu haben, also fuhr er fort:
    »Und was ist dann weiter passiert?«
    »Er hat es rausgekriegt, Mylord. Ich weiß nicht, wie, aber er hat’s rausgekriegt. Hat gedroht, mich anzuzeigen. Das wäre mein Ende gewesen. Entlassen, und wer hätte mir danach noch Arbeit

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