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Hochzeit kommt vor dem Fall

Hochzeit kommt vor dem Fall

Titel: Hochzeit kommt vor dem Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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sagte Peter, indem er den Deckel wieder schloß. »Oder würde Jeremia hier besser passen?«
    »Jesaja, Mylord – und zu Klageliedern besteht kein Anlaß, soweit ich das sehe. Also, das ist ja sehr aufschlußreich. Tot oder bewußtlos um halb zehn – zuletzt lebend gesehen um zwanzig nach sechs – zu Abend gegessen um –«
    »Zwanzig nach sechs?« rief Mrs. Ruddle. »Jetzt hören Sie mal. Er war um neun noch springlebendig.«
    »Was! Woher wissen Sie das? Warum haben Sie uns das nicht schon eher gesagt?«
    »Na, ich hab gedacht, das wissen Sie schon. Sie haben mich nicht gefragt. Und woher ich das weiß? Weil ich ihn gesehen habe, darum. Sie, was haben Sie eigentlich vor? Wollen Sie mir vielleicht was anhängen? Sie wissen so gut wie ich, daß er um neun noch am Leben war. Joe Sellon hat doch da noch mit ihm gesprochen.«
    Kirk riß entgeistert den Mund auf. »Wie?« fragte er, den Blick auf seinen Konstabler gerichtet.
    »Ja«, murmelte Sellon dumpf. »Das stimmt.«
    »Natürlich stimmt es«, sagte Mrs. Ruddle. Ihre kleinen Äuglein blitzten von boshaftem Triumph, hinter dem ein unbehagliches Grausen lauerte. »Auf diese Weise kriegst du mich nicht dran, Joe Sellon. Um neun bin ich gekommen, um mir einen Eimer Wasser zu holen, und da hab ich dich so deutlich gesehen wie die Nase in meinem Gesicht, wie du hier an dem Fenster mit ihm gesprochen hast. Ha! Ich hab dich gehört. Ausdrücke hast du gebraucht – du solltest dich wirklich was schämen – so was dürfte eine anständige Frau gar nicht hören. Ich bin durch den Garten hergekommen, wo die Pumpe ist, das wissen Sie ja, Mr. Kirk, und das ist das einzige Wasser, das man trinken kann, außer wenn man ins Dorf hinuntergeht – ich hab mir immer Wasser von der Pumpe im Garten holen dürfen, außer zum Waschen, dazu nehme ich immer Regenwasser, wegen der Wollsachen, und wie ich da an der Pumpe stehe, hab ich dich gehört – ja, da kannst du ruhig gucken! Und ich sag noch zu mir: ›Meine Güte‹, sag ich, ›was ist denn da los?‹ Und wie ich um die Ecke von dem Haus komme, da seh’ ich dich – mit Helm und allem, du brauchst es also gar nicht abzustreiten.«
    »Schon gut, Madam«, sagte Mr. Kirk. Bei aller Erschütterung stand er getreulich zu seinem Untergebenen.
    »Vielen Dank. Das bringt uns sehr nah an die Zeit heran. Neun Uhr war das, sagen Sie?«
    »Ein bißchen vor oder nach. Auf meiner Uhr war’s zehn nach, aber die geht etwas vor. Fragen Sie doch Joe Sellon. Man soll ja immer die Polizei fragen!«
    »Sehr schön«, antwortete der Polizeidirektor. »Diesen Punkt wollten wir nur bestätigt haben. Zwei Zeugen sind besser als einer. Das genügt. So, und nun gehen Sie und – hören Sie mal – Sie werden das bitte nicht aller Welt erzählen.«
    Mrs. Ruddle warf sich in die Brust. »Ich bin doch keine Klatschbase!«
    »Gewiß nicht«, sagte Peter. »Das ist das Letzte, was man Ihnen unterstellen könnte. Aber Sie sehen, Sie sind eine sehr wichtige Zeugin – Sie und Sellon – und es könnte etliche Leute geben, Zeitungsreporter und dergleichen, die Sie auszuhorchen versuchen. Sie müssen also sehr verschwiegen sein – genau wie Sellon – und sie abblitzen lassen. Sonst machen Sie es Mr. Kirk sehr schwer.«
    »Ausgerechnet Joe Sellon!« sagte Mrs. Ruddle verächtlich. »Was der kann, das kann ich schon lange. Ich hoffe, ich weiß was Besseres, als mit Zeitungsleuten zu reden. Schreckliche Leute sind das.«
    »Ein sehr unangenehmes Volk«, bestätigte Peter. Er begab sich zur Tür, wobei er sie behutsam vor sich her trieb wie ein verirrtes Huhn. »Wir wissen, daß wir uns auf Sie verlassen können, Mrs. Ruddle, Nährkind von Stille und Zeiten, die vergingen. Und was immer Sie tun«, fuhr er fort, als er sie über die Schwelle bugsierte, »sagen Sie nichts zu Bunter – er ist das größte Plappermaul der Welt.«
    »Bestimmt nicht, Mylord«, sagte Mrs. Ruddle. Die Tür ging zu. Kirk richtete sich in dem großen Sessel auf; sein Untergebener saß wie ein Häuflein Elend da und wartete auf den Ausbruch.
    »Also, Joe Sellon. Was hat das zu bedeuten?«
    »Nun, Sir –«
    »Ich bin enttäuscht von Ihnen, Joe«, fuhr Kirk mit einer Stimme fort, in der mehr Verwunderung und Trauer als Zorn lagen. »Ich muß mich wundern. Soll das heißen, daß Sie um neun Uhr noch mit Mr. Noakes gesprochen und uns nichts davon gesagt haben? Haben Sie überhaupt kein Pflichtgefühl?«
    »Es tut mir wirklich sehr leid, Sir.«
    Lord Peter schlenderte zum Fenster.

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