Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hochzeit kommt vor dem Fall

Hochzeit kommt vor dem Fall

Titel: Hochzeit kommt vor dem Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
Vom Netzwerk:
zu diesem Zweck heruntergenommen und es Noakes überlassen, sie wieder zurückzutun. Man konnte ihn fragen – aber schon während Mr. Kirk sich dieses Vorhaben notierte, machte er sich hinsichtlich des Ergebnisses wenig Hoffnungen. Entmutigt besichtigte er noch die Schlafzimmer, beschlagnahmte etliche Bücher und Unterlagen aus einem Schrank und fragte noch einmal Mrs. Ruddle zu Sellons Gespräch mit Noakes aus.
    Das Ergebnis von dem allen war nicht sehr befriedigend. Es wurde ein Notizbuch entdeckt, das zwischen anderen Eintragungen wöchentliche Geldeingänge von jeweils fünf Shilling mit den Initialen »J. S.« enthielt. Das bestätigte eine Geschichte, die kaum einer Bestätigung bedurfte. Es legte auch die Vermutung nahe, daß Sellons Aufrichtigkeit mehr der Not gefolgt war als der Tugend, denn falls er die Existenz eines solchen Dokuments geahnt hatte, war es ihm vielleicht besser erschienen, ein Geständnis abzulegen als darauf zu warten, daß er damit konfrontiert wurde. Peters Kommentar dazu lautete, wenn Sellon der Mörder wäre, warum habe er dann nicht das Haus nach solch belastenden Dokumenten durchsucht? Mit dieser Überlegung versuchte Kirk sich mühsam zu trösten.
    Sonst fand sich nichts, was man als Hinweis auf Erpressungszahlungen von irgendwem deuten konnte, allerdings reichlich Anzeichen dafür, daß Noakes’ wirtschaftliche Verhältnisse noch verworrener waren als bisher angenommen. Interessant waren ein Packen Zeitungsausschnitte und Notizen in Noakes’ Handschrift, die sich auf billige Häuser an der Westküste Schottlands bezogen – einem Landstrich, wo es bekanntermaßen schwer war, anderswo gemachte Schulden einzutreiben. Daß Noakes der Gauner war, als den Kirk ihn angesehen hatte, stand fest; leider waren es nicht seine Missetaten, die es aufzuklären galt.
    Mrs. Ruddle konnte nicht weiterhelfen. Sie hatte gehört, wie Noakes das Fenster zugeknallt hatte, und gesehen, wie Sellon sich in Richtung Haustür begab. In der Annahme, das Stück sei vorbei, war sie mit ihrem Eimer Wasser nach Hause geeilt. Ein paar Minuten später hatte sie ein Klopfen an den Türen zu hören geglaubt und bei sich gedacht: ›Na, der hat Hoffnungen!‹ Gefragt, ob sie gehört habe, worum es bei dem Streit ging, gab sie mit Bedauern zu, daß sie das nicht mitbekommen habe, aber (mit boshaftem Grinsen) annehme, Joe Sellon werde »das wohl wissen.« Sellon sei, wie sie hinzufügte, »oft bei Mr. Noakes gewesen« – wenn Kirk dazu ihre Meinung hören wolle, habe er wahrscheinlich »versucht, sich Geld zu leihen«, und Noakes habe es abgelehnt, ihm noch mehr zu geben. Mrs. Sellon sei eine Verschwenderin, das wüßten alle. Kirk hätte sie gern gefragt, ob sie sich, nachdem sie Noakes zuletzt in einen heftigen Streit verwickelt gesehen habe, denn nichts bei seinem anschließenden Verschwinden gedacht habe, doch die Frage blieb ihm in der Kehle stecken. Das hätte doch mit anderen Worten geheißen, daß ein Gesetzeshüter des Mordes verdächtig sein könnte; ohne stichhaltigere Beweise in der Hand zu haben, brachte er das nicht über sich. Seine nächste traurige Aufgabe bestand darin, die Sellons zu vernehmen, und darauf freute er sich gar nicht. Im Zustand schwärzester Bedrückung machte er sich auf den Weg zum Untersuchungsrichter.
    Inzwischen hatte Mr. Puffett den Küchenkamin von oben gereinigt, beim Anzünden eines Feuers assistiert, seinen Lohn entgegengenommen und sich unter zahlreichen Bekundungen der Sympathie und Hilfswilligkeit verabschiedet. Schließlich wurde Miss Twitterton, tränenüberströmt, doch geschmeichelt, von Bunter mit dem Wagen nach Pagford gebracht, das Fahrrad »hoch und erhaben« auf dem Rücksitz. Harriet sagte ihr auf Wiedersehen und kehrte ins Wohnzimmer zurück, wo ihr Herr und Gebieter mit finsterer Miene aus einem schmuddeligen alten Kartenspiel, das er in der Etagere gefunden hatte, ein Kartenhaus zu bauen versuchte.
    »So!« sagte Harriet in unnatürlich fröhlichem Ton.
    »Die sind weg. Endlich sind wir allein!«
    »Das ist ein Segen«, antwortete er verdrießlich.
    »Ja; viel mehr davon hätte ich nicht verkraftet. Du?«
    »Gar nichts mehr … Und ich vertrag’s auch jetzt nicht.«
    Er hatte das nicht grob gesagt; es klang nur hilflos und erschöpft.
    »Ich hatte auch nichts dergleichen vor«, sagte Harriet.
    Er antwortete nicht und schien sich ganz darauf zu konzentrieren, seinem Bauwerk eine vierte Etage aufzusetzen. Sie sah ihm ein Weilchen zu, dann fand sie,

Weitere Kostenlose Bücher