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Hochzeit kommt vor dem Fall

Hochzeit kommt vor dem Fall

Titel: Hochzeit kommt vor dem Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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daß es wohl besser sei, ihn allein zu lassen, und ging nach oben, um Schreibzeug und Papier zu holen. Es konnte nicht schaden, der Herzoginwitwe ein paar Zeilen zu schreiben.
    Als sie durch Peters Ankleidezimmer kam, sah sie, daß da jemand am Werk gewesen war. Die Vorhänge waren aufgehängt, die Teppiche ausgelegt und das Bett gemacht. Sie überlegte einen Augenblick, was das wohl zu bedeuten haben könnte – falls überhaupt etwas. In ihrem eigenen Zimmer waren die Spuren von Miss Twittertons vorübergehendem Aufenthalt beseitigt – die Daunendecke war aufgeschüttelt, die Kissen geglättet, die Wärmflasche war fortgenommen, die Unordnung auf Waschständer und Toilettentisch wieder in Ordnung verwandelt. Die Türen und Schubladen, die Kirk offen gelassen hatte, waren zu, und auf der Fensterbank stand eine Vase mit Chrysanthemen. Bunter war wie eine Dampfwalze über alles hinweggerollt und hatte alle Spuren des Aufruhrs eingeebnet. Sie nahm sich die Dinge, die sie benötigte, und begab sich damit nach unten. Das Kartenhaus war inzwischen bis zum sechsten Stock gediehen. Beim Geräusch ihres Schrittes schrak Peter kurz zusammen, seine Hand zuckte, und das ganze zerbrechliche Gebilde sank in Trümmer. Er knurrte etwas und begann eigensinnig mit dem Wiederaufbau.
    Harriet sah auf die Uhr. Es war gleich fünf, und sie hatte das Gefühl, ein Täßchen Tee vertragen zu können. Sie hatte Mrs. Ruddle bereits dazu gebracht, Wasser aufzusetzen und sich nützlich zu machen; sehr lange konnte es also nicht mehr dauern. Sie setzte sich aufs Sofa und begann den Brief. Was sie mitzuteilen hatte, war gewiß nicht ganz das, was ihre Schwiegermutter erwartete, aber es war dringend angezeigt, ihr zu schreiben, damit sie Bescheid wußte, bevor es in den Londoner Zeitungen Schlagzeilen machte. Außerdem gab es Dinge, die Harriet ihr gern mitteilen wollte – Dinge, die sie ihr ohnehin erzählt hätte. Sie war mit der ersten Seite fertig und sah auf. Peter saß mit gerunzelter Stirn da; das Haus, erneut bis zum vierten Stock gewachsen, verriet Anzeichen unmittelbar drohenden Zusammenbruchs. Ohne es eigentlich zu wollen, mußte sie lachen.
    »Darf ich den Witz auch hören?« fragte Peter. Das wacklige Gebäude löste sich augenblicklich in seine Bestandteile auf, und er fluchte lästerlich. Dann entspannte sich plötzlich sein Gesicht, und das vertraute, verhaltene Lächeln zag seine Mundwinkel nach oben.
    »Ich hab’s nur mal von der komischen Seite gesehen«, entschuldigte Harriet sich. »Nach Hochzeit sieht das ja nicht gerade aus.«
    »Bei Gott, das ist wahr!« sagte er zerknirscht. Er kam zu ihr. »Ich glaube«, bemerkte er in nüchternem, fragendem Ton, »ich benehme mich wie ein Lümmel.«
    »So? Dann kann ich nur sagen, daß deine Vorstellung von Lümmelei außerordentlich verschwommen und maßvoll ist. Du wüßtest ja gar nicht, wie du das anstellen solltest.«
    Ihr Spott konnte ihn nicht trösten. »Ich wollte nicht, daß es so kommt«, sagte er matt.
    »Du dummer Kerl –«
    »Ich wollte, daß alles wunderschön für dich wird.«
    Sie wartete, daß er darauf selbst die Antwort fand, was er dann auch mit entwaffnender Schnelligkeit tat.
    »Das ist wohl reine Eitelkeit. Nimm Feder und Tinte und schreib’s auf. Seine Lordschaft erfreut sich außerordentlich gedrückter Stimmung dank seines unerklärlichen Unvermögens, die Vorsehung nach eigenen Bedürfnissen umzugestalten.«
    »Soll ich das deiner Mutter schreiben?«
    »Schreibst du ihr? Du lieber Gott, daran habe ich gar nicht gedacht, aber ich bin heilfroh, daß du daran denkst. Arme alte Mater! Das wird sie fürchterlich fuchsen. Sie hat sich nun einmal fest in den Kopf gesetzt, daß es ein ungetrübtes Elysium sein muß, mit ihrem Blondschopf verheiratet zu sein, in alle Ewigkeit Amen. Komisch, daß die eigene Mutter einen so wenig kennt.«
    »Deine Mutter ist die vernünftigste Frau, die ich je kennengelernt habe. Ihr Wirklichkeitssinn ist viel weiter entwickelt als deiner.«
    »So?«
    »Ja, natürlich. Übrigens, hast du vor, dein Recht als Ehemann in Anspruch zu nehmen und die Briefe deiner Frau zu lesen?«
    »Um Gottes willen, nein!« rief Peter entsetzt.
    »Freut mich. Das wäre auch nicht gut für dich. Da kommt Bunter zurück; jetzt bekommen wir vielleicht ein Täßchen Tee. Mrs. Ruddle ist so aufgeregt, daß sie wahrscheinlich die Milch gekocht und die Teeblätter auf die Sandwichs gestreut hat. Ich hätte ihr nicht von der Seite weichen sollen, bis sie

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