Hochzeit nach Plan B (German Edition)
Erwin waren schon gegangen, und sogar Schwester Petras lautes Organ hallte ausnahmsweise Mal nicht durch die endlosen Gänge und Flure.
Wie immer hatte ich das Zimmer mit einem mulmigen Gefühl betreten, weil ich nie wissen konnte, woran Ben sich inzwischen alles erinnerte. Doch genau wie die anderen Male zuvor hatte er mir fröhlich entgegen gegrinst. Auch unser etwas längerer Begrüßungskuss gehörte inzwischen dazu.
»Wie geht es dir?«, erkundigte ich mich, nachdem ich mich auf den Rand seines Bettes gesetzt hatte. Mir war sofort aufgefallen, dass der Kopfverband verschwunden war. Bens Schläfe wurde jetzt von einer langen roten Narbe geziert, die einem wilden Krieger alle Ehre gemacht hätte.
»Schon viel besser«, gab er mit einem matten Lächeln zurück. »Noch ein paar Tage, und ich hüpfe hier von Bett zu Bett und klaue den Schwestern die Bananen von ihren Tabletts.«
Ich musterte ihn prüfend. Trotz seiner flapsigen Sprüche schien ihn irgendetwas zu bedrücken.
»Alles in Ordnung?«, hakte ich vorsichtig nach. Ich merkte, wie meine Entschlossenheit, endlich die Wahrheit zu sagen, zu wanken begann wie Herbert nach eineinhalb Flaschen Schnaps.
Ben nickte nur. »Wie war` s bei dir?«, fragte er anstelle einer Antwort.
»Gut.« Ich grinste. Ausführlich erzählte ich von den zwei Kunden, denen ich am Vormittag zusammen mit Berschmann ein luxuriöses Apartment gezeigt hatte. Dann berichtete ich von meinem Besuch bei Mareike. Ich erzählte allerdings nur, dass sie eine alte Schulfreundin von mir war, die inzwischen auch in Hamburg wohnte. Unsere unrühmliche jüngere Vergangenheit erwähnte ich natürlich nicht. Das würde er alles noch früh genug erfahren.
»Es freut mich, dass ihr wieder Kontakt habt«, meinte Ben, nachdem ich fertig war. »Es ist wichtig, dass man Menschen um sich hat, denen man etwas bedeutet.« Dabei klang seine Stimme so traurig, dass ich ihn eine Weile nachdenklich ansah.
»Du hast doch irgendwas«, stellte ich fest. »Was ist denn mit dir?«
Er sah mich ernst an. Dann nahm er meine Hand und streichelte gedankenverloren mit seinem Daumen über meinen Handrücken.
»Weißt du, ich hatte heute eine Menge Zeit zum Nachdenken. Mir ist klar geworden, wie locker und selbstverständlich ich bisher immer alles genommen habe. Aber das ist es nicht. Ich war ja ganz schön knapp davor, alles zu verlieren.«
Er machte eine kurze Pause und fuhr dann fort: »Du hattest recht, ich habe eine tolle Familie. Mit Christian habe ich einen Freund, auf den ich mich immer verlassen kann. Und ich habe dich.«
Ich schluckte, aber mir fiel nichts ein, was ich dazu sagen konnte. Mit so etwas hatte ich heute überhaupt nicht gerechnet. Ich war doch schließlich diejenige, die ein Geständnis ablegen wollte.
Ben lächelte gequält. »Ich weiß nicht, wie viel ich dir schon erzählt habe, aber bisher hatte ich nicht allzu viel Glück mit dem weiblichen Geschlecht. Entweder bin ich von vorn bis hinten belogen und betrogen worden, oder meine Freundinnen haben so geklammert, dass es mir irgendwann zu viel geworden ist und ich die Sache beendet habe. Aber bei dir ist das ganz anders.«
Er atmete einmal tief durch, bevor er weitersprach. »Mir ist schon klar, dass es blöd klingt, wenn ich das jetzt so sage, weil wir uns ja gerade mal ein paar Tage kennen – zumindest ich dich – aber du gibst mir wirklich Halt. Und das kann ich jetzt im Moment ziemlich gut gebrauchen.«
Ich kniff irritiert die Augen zusammen. »Deine Amnesie nimmt dich mehr mit, als du bisher zugegeben hast, oder?«
Ben zuckte die Achseln. »Kann schon sein. Jedenfalls ist es merkwürdig, wenn man nicht weiß, was in den letzten Monaten passiert ist. Ich meine, ich könnte meine Großmutter oder den Hund des Nachbarn erschlagen haben, ohne mich daran zu erinnern. Das ist echt abgefahren.«
Er hatte recht. Ich nickte nachdenklich. Das musste ein wirklich mieses Gefühl sein. Aus diesem Blickwinkel hatte ich das Ganze noch gar nicht betrachtet.
»Aber du hast ja schon gesagt, dass du eine fantastische Familie hast. Meinst du nicht, dass sie dir alles gesagt haben, was wichtig für dich sein könnte?«, versuchte ich ihn zu beruhigen, während mein eigenes Gewissen wild auf und ab hüpfte und Verräter! schrie. Noch nie war ich mir so verlogen vorgekommen wie in diesem Moment.
»Doch schon«, erwiderte Ben, der von meinem Gefühlschaos nichts zu bemerken schien. »Aber sie wissen doch auch nicht alles. Denk nur mal an die Sache mit
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