Hochzeit zu verschenken
ruft sie über die Schulter.
Ich muss sie aufhalten. Schnell.
»Becky!«, ruft Eileen mich aus der anderen Richtung, in die ich mich benommen umdrehe. »Hier ist das Zinngeschirr, das ich Ihnen zeigen wollte...«
»Danke«, sage ich zerstreut. »Aber ich muss eben...«
Ich drehe mich wieder um - aber Alicia ist nirgends mehr zu sehen.
Wo ist sie hingegangen?
Ich warte gar nicht erst auf den Aufzug, sondern eile sofort die Treppe hinunter zum Erdgeschoss. Unten angekommen, bleibe ich stehen und sehe mich fieberhaft nach einem pinkfarbenen Kostüm um. Aber im Laden wimmelt es nur so vor aufgeregt plappernden Touristen, die alle irgendwelche bunten Sachen anhaben.
Ich kämpfe mich schwer atmend durch die Menge und rede mir ein, dass Alicia Robyn bestimmt nichts sagen wird -so nachtragend kann sie doch gar nicht sein. Doch gleichzeitig weiß ich genau, dass ich mich irre.
Ich kann sie nicht finden. Ich quetsche mich durch eine Traube von Touristen, die vor einer Uhrenauslage steht, und gelange zur Ausgangstür. Ich gehe hinaus und sehe mich dann nach rechts und links auf der Straße um. Aber ich kann fast nichts erkennen. Die Sonne scheint, und das Licht wird von den verspiegelten Fenstern um mich herum reflektiert und verwandelt alles in Silhouetten und Schattenrisse.
»Rebecca.« Auf einmal legt jemand ziemlich unsanft von hinten seine Hand auf meine Schulter. Verwirrt drehe ich mich um und blinzele gegen die Sonne.
Als meine Augen sich an das Licht gewöhnt haben und ich endlich scharf sehe, packt mich das blanke Entsetzen.
Vor mir steht Elinor.
17
Das war´s dann also. Ich bin so gut wie tot. Ich hätte einfach bei Tiffany´s drinbleiben sollen.
»Ich muss mit dir reden, Rebecca«, sagt Elinor kühl. »Sofort.«
Mit dem langen schwarzen Mantel und der riesigen schwarzen Sonnenbrille sieht sie aus wie jemand von der Gestapo. Oh, Gott, sie weiß bestimmt schon alles. Sie hat mit Robyn gesprochen. Sie hat mit Alicia gesprochen. Sie ist gekommen, um mich dem Kommandanten vorzuführen, der mich zu zwanzig Jahren Zwangsarbeit in Sibirien verurteilt.
»Ich äh... habe keine Zeit«, sage ich und bewege mich wieder auf den Ladeneingang von Tiffany‘s zu. »Ich habe keine Zeit zum Plaudern.«
»Ich will auch gar nicht plaudern.«
»Was auch immer.«
»Es ist sehr wichtig.«
»Also gut, jetzt hör mal zu. Du meinst vielleicht, dass es wichtig ist«, verteidige ich mich. »Aber wir wollen doch die Kirche im Dorf lassen, ja? Es ist nur eine Hochzeit. Verglichen mit Sachen wie... zum Beispiel Staatsverträgen mit dem Ausland...«
»Ich möchte nicht über die Hochzeit sprechen.« Elinor runzelt die Stirn. »Ich möchte über Luke sprechen.«
»Luke?« Überrascht sehe ich sie an. »Wieso... hast du mit ihm geredet?«
»Er hat in der Schweiz diverse beunruhigende Nachrichten für mich hinterlassen. Und gestern habe ich einen Brief von ihm bekommen. Daraufhin bin ich sofort abgereist.«
»Was stand in dem Brief?«
»Ich bin jetzt auf dem Weg zu Luke.« Elinor ignoriert meine Frage. »Und ich würde mich freuen, wenn du mich begleiten würdest.«
»Du bist auf dem Weg zu ihm? Wo ist er?«
»Ich habe gerade mit Michael Ellis gesprochen. Er hat sich heute Vormittag auf die Suche nach Luke gemacht und ihn in meiner Wohnung gefunden. Ich bin jetzt auf dem Weg dorthin. Luke möchte anscheinend mit mir reden.« Sie hält inne. »Aber ich wollte zuerst mit dir sprechen, Rebecca.«
»Mit mir? Wieso?«
Bevor sie antworten kann, strömt eine Touristengruppe aus Tiffany´s auf die Straße und begräbt uns fast unter sich. Das wäre eine ideale Gelegenheit, um abzutauchen. Ich könnte mich jetzt aus dem Staub machen.
Aber ich bin neugierig geworden. Warum will Elinor mit mir reden?
Die Touristen verschwinden, und wir sehen einander an.
»Bitte.« Sie nickt in Richtung Kantstein. »Mein Wagen wartet.«
»Okay«, sage ich und zucke leicht mit den Schultern. »Ich komme mit.«
Als ich erst mal in Elinors schicker Limousine sitze, ebbt mein Entsetzen langsam ab. Ich betrachte Elinors blasses, unergründliches Gesicht und empfinde stattdessen leisen Hass.
Das ist die Frau, die Luke kaputtgemacht hat. Das ist die Frau, die ihren vierzehnjährigen Sohn ignoriert hat. Sitzt ganz ruhig in ihrer Limousine und tut immer noch so, als wenn ihr die ganze Welt gehören würde. Als wenn sie nichts falsch gemacht hätte.
»Was hat Luke denn nun geschrieben?«, frage ich.
»In dem Brief wirkte er sehr... verwirrt«, sagt sie.
Weitere Kostenlose Bücher