Hochzeit zu verschenken
Weißt du, wie alt er ist?«
»Nein.«
»Dreiunddreißig.«
»Oh, Gott, echt? Das ist ja schrecklich!«
Luke ist gerade mal ein Jahr älter.
»Er ist im Wertpapiergeschäft tätig. Ausgesprochen erfolgreich.« Luke atmet ganz langsam aus. »Da fängt man an nachzudenken. Darüber, was man eigentlich mit seinem Leben macht. Und man fängt an zu zweifeln.«
»Äh... ja.« Ich komme mir vor, als würde ich über rohe Eier laufen. »Ja, allerdings.«
So hat Luke noch nie mit mir geredet. Normalerweise, wenn ich anfange, über das Leben und den Sinn des Lebens und so etwas zu reden - was ich zugegebenermaßen nicht sehr oft tue - blockt er das Thema entweder komplett ab oder zieht es ins Lächerliche. Und er hat selbstverständlich noch nie Zweifel darüber angemeldet, was er eigentlich mit seinem Leben macht. Ich möchte ihn so gerne aufbauen aber ich habe Angst, etwas Falsches zu sagen und ihn zu vergrätzen.
Jetzt glotzt er wieder schweigend aus dem Fenster.
»Und was genau ging dir dabei durch den Kopf?«, hake ich vorsichtig nach.
»Ich weiß nicht«, sagt Luke nach kurzem Nachdenken. »Ich finde nur, dass man die Dinge zumindest vorübergehend mit ganz anderen Augen sieht.«
Er sieht mich an - und einen Augenblick lang glaube ich, ganz tief in ihn hineinsehen zu können. Einen Teil von ihm zu erhaschen, den er mir nur sehr selten zeigt. Denn auch in ihm gibt es einen weichen, ruhigen und von Zweifeln geplagten Teil - wie in jedem anderen Menschen auch.
Dann blinzelt er - und es ist, als habe er die Blende wieder geschlossen. Jetzt ist er wieder ganz normal. Ganz der Geschäftsmann. Selbstsicher und cool.
»Wie dem auch sei. Ich bin froh, dass Michael und ich uns wieder vertragen haben«, sagt er und trinkt einen Schluck aus der Wasserflasche, die er dabeihat.
»Ich auch.«
»Er hat es am Ende eingesehen. Die Publicity, die wir durch die Stiftung bekommen werden, wird dem Unternehmen enorm nützen. Dass es sich dabei um die Stiftung meiner Mutter handelt, ist nicht weiter von Interesse.«
»Ja«, pflichte ich ihm nur widerstrebend bei. »Mag sein.«
Ich habe jetzt wirklich keine Lust, mit ihm über seine Mutter zu reden, darum schlage ich lieber wieder das Eheversprechenbuch auf.
»Hey, hier ist eins für Kurzentschlossene. Wir kennen uns erst seit einer Stunde, aber ich weiß jetzt schon, dass ich dich ewig lieben werde ...«
Als wir in New York ankommen, herrscht auf der Grand Central Station reges Treiben. Luke geht zur Toilette, und ich spaziere an einen Kiosk, um mir was Süßes zu kaufen. Ich komme an einem Zeitungsstand vorbei - und bleibe unvermittelt stehen. Moment mal. Was war denn das?
Ich gehe zwei Schritte zurück und werfe einen zweiten Blick auf die New York Times. Ganz oben rechts ist ein kleines Bild von Elinor, mit dem ein Artikel in der Zeitungsmitte angekündigt wird.
Ich schnappe mir die Zeitung und schlage sie auf.
Die Überschrift lautet: Wider die Spendenmüdigkeit. Darunter ist ein Bild von Elinor, wie sie mit einem ziemlich frostigen Lächeln auf den Stufen vor einem großen Gebäude steht und einem Herrn in Anzug einen Scheck überreicht. Etwas verwirrt lese ich die Bildunterschrift. Elinor Sherman hat gegen die Apathie angekämpft und Spenden für einen guten Zweck gesammelt.
Sollte da nicht ein Foto von Luke sein, wie er Elinor einen Scheck überreicht?
Ich überfliege den Artikel, um zu sehen, wo Brandon Communications erwähnt wird. Wo Luke erwähnt wird. Aber sein Name kommt kein einziges Mal vor. Er spielt in diesem Artikel überhaupt keine Rolle.
Ungläubig starre ich auf die Zeitung.
Nach allem, was er für sie getan hat. Wie kann sie ihm das antun?
»Was ist das?«
Ich zucke zusammen, als ich Lukes Stimme höre. Einen Moment lang überlege ich mir, die Zeitung unter meinem Mantel zu verstecken. Aber was soll das bringen? Früher oder später wird er den Artikel sowieso lesen.
»Luke...« Ich zögere noch - doch dann schlage ich die Zeitung so auf, dass er den Artikel sofort sieht.
»Ist das meine Mutter?« Luke sieht überrascht aus. »>Das hat sie mir ja gar nicht erzählt, dass schon etwas an die Presse gegangen ist. Zeig mal.«
»Luke...« Ich hole tief Luft. »Du wirst überhaupt nicht erwähnt. Und deine Firma auch nicht.«
Mir wird ganz anders, während er die Seite überfliegt und seine Miene wachsenden Unglauben widerspiegelt. Der heutige Tag war schon hart genug - auch ohne herauszufinden, dass seine Mutter ihn gründlich verarscht
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