Hochzeitsglocken zum Fest der Liebe
Ich bin ganz auf mich gestellt, das war auch der Grund für meine Eile. Ich arbeite in Heimarbeit als Näherin und hatte einem der Modesalons hier versprochen, schon früh eine Stickarbeit auszuliefern. Danach wäre ich besser direkt wieder heimgegangen, doch ich wollte mir noch ein Buch ausleihen. Wenn ich mich vorstellen darf: Mein Name ist Ellen Beverley.“
„Es tut mir leid, von Ihrem Verlust zu hören“, sagte Jo, während sie die Dame zu einem Tischchen am Fenster führte und sie sanft auf den Stuhl drückte. „Wie schrecklich für Sie, besonders in Ihrem Zustand.“
Lächelnd legte Ellen eine Hand auf ihren gewölbten Leib. „Oh, Matts Kind ist meine ganze Freude. Wäre das nicht gewesen, hätte ich mich, glaube ich, bei seinem Tod der Verzweiflung hingegeben. Doch um des Kindes willen muss ich leben – anders hätte es mein Gatte nicht von mir erwartet. Er war ein tapferer, gütiger Mann, und ich werde sein Kind lieben, wie ich ihn geliebt habe.“
„Das ist nur natürlich.“ Ganz kurz kam Jo der Gedanke, ob ihre neue Bekanntschaft wohl mit dem Herrn verwandt war, der sich ihr vorhin als Hal Beverley vorgestellt hatte. Doch das konnte nicht sein; die Dame hatte gesagt, sie sei alleinstehend. Die Namensgleichheit musste zufällig sein. „Gibt es denn niemanden, der Ihnen beistehen könnte?“
„Ich lief von zu Hause fort, um den Mann, den ich liebte, zu heiraten“, entgegnete Ellen mit sehnsüchtigem Blick. „Unser beider Eltern missbilligten die Heirat, doch wir liebten uns und hätten niemals voneinander gelassen. Ein Jahr beinahe lebten wir in völliger Glückseligkeit, aber nun …“ Sie seufzte und schüttelte resigniert den Kopf.
Jo fand, sie sah sehr jung und verletzlich aus, jedoch sehr hübsch, mit weich gewelltem blondem Haar und grünen Augen.
„Möchten Sie nicht meine Freundin sein, wenigstens solange ich in Bath bin?“, fragte sie impulsiv. „Das ist natürlich nicht sehr lange, aber wenn ich wieder heimfahre, können wir uns schreiben – und sollten Sie einmal Kummer haben, würde ich versuchen, Ihnen zu helfen.“
„Wie freundlich Sie sind!“, rief Ellen freudig gerührt. „Oh, kann es sein, dass ich Ihren Namen überhört habe?“
„Bin ich dumm!“ Jo lachte. „In meiner Sorge um Sie habe ich vergessen, mich vorzustellen. Mein Name ist Jo Horne und zurzeit weile ich mit meiner Tante Lady Wainwright hier in Bath. Sie hat mir den Besuch hier überhaupt erst ermöglicht. Wir – also meine Mutter und meine Schwestern – stammen ursprünglich aus Huntingdonshire, aber dann starb mein Vater, und wir konnten nicht länger im Pfarrhaus bleiben. Zum Glück lud meine liebe Großtante Bertha uns ein, bei ihr in Cornwall zu leben, und dahin werde ich nach dem Aufenthalt hier wieder zurückkehren.“ Jo verzog das Gesicht. „Nun wissen Sie, was es über mich zu wissen gibt, und das ist ja langweilig genug, mit Ihrem Leben verglichen …“ Sie unterbrach sich, als die Bedienung kam, und bestellte Tee und Gebäck. Ellen griff nach ihrer Börse, doch Jo hob abwehrend eine Hand. „Nein, überlassen Sie das mir, Ellen. Darf ich Sie so nennen?“
„Aber natürlich“, sagte Ellen, während ein Lächeln ihre Züge erhellte. „Ich bin so froh, Sie getroffen zu haben, Jo. Ich habe mich so allein gefühlt. Außer um meine Arbeiten auszuliefern, gehe ich kaum aus, und ich habe auch keine Freunde; die früheren Bekanntschaften konnte ich ja nicht mehr pflegen. Allerdings hatten wir in Spanien viele Freunde, doch die sind alle noch dort.“
„Ihr Gatte war Soldat?“
„Ja. Captain Matthew Beverley. Wo in Spanien wir auch waren, bemühte er sich immer, uns ein kleines Haus zur Miete zu beschaffen, und seine Freunde pflegten oft bei uns zu speisen. Wir hatten viel Spaß, und sie waren alle so mutig und ritterlich … wir waren so unglücklich, als einige von ihnen fielen. Nur wenige hatten ihre Gemahlin mit nach Spanien genommen, und einer wurde von seiner Mutter und seiner Schwester begleitet. Wir Frauen folgten den Truppen von Ort zu Ort, wo wir stets nach einer sicheren Unterkunft, fern der Kämpfe, suchen mussten.“
„Bestimmt war das sehr aufregend“, meinte Jo. „Aber war es nicht auch beschwerlich, kein festes Heim zu haben?“
„Ich wäre es sogar zufrieden gewesen, mit Matt auf dem nackten Boden zu schlafen. Ein oder zwei Mal kam es tatsächlich dazu, als keine passende Unterkunft aufzutreiben war. Was wäre, wenn Matt noch lebte, weiß ich nicht, denn wegen des
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