Hochzeitsstrudel und Zwetschgenglück: Roman (German Edition)
Fußgängerzone in Passau.
»Tut mir leid, wenn ich so langsam gehe, aber ich habe es gestern ein bisserl übertrieben mit Sport und habe heute einen ziemlichen Muskelkater«, entschuldigte ich mich bei Lene für meinen langsamen Gang.
»Ach, das macht nichts. So lange wir es noch vor Ladenschluss in das Geschäft schaffen.«
»Ich versuche mein Bestes«, versprach ich.
Bei dem herrlichen Sommerwetter waren viele Menschen unterwegs. Ein junger Straßenmusikant unterhielt einige Passanten mit einer sehr eigenwilligen Interpretation von Don’t Cry for Me, Argentina und begleitete sich selbst auf einem Hackbrett. Es gefiel mir, was er da zum Besten gab. Ich holte aus meiner Tasche eine Zwei-Euro-Münze und warf sie in den kleinen Plastikblumentopf, den er vor sich aufgestellt hatte. Auch Lene warf einige Münzen hinein. Obwohl er total in seine Musik vertieft schien, nickte er uns zu.
Wir bogen in eine ruhigere Seitenstraße ein.
»Da hinten gibt es eine kleine Boutique. Die haben zwar keine so große Auswahl, dafür aber ganz besondere Stücke«, erklärte Lene. »Ich habe hier schon oft was gefunden. Und glaub mir, das ist bei meiner Oberweite nicht immer einfach.«
Ich lachte und fand es erfrischend, wie ungeniert sie mit diesem Thema umging.
Tatsächlich fand ich in dem Laden sogar zwei Kleider, die mir sehr gut gefielen. Es waren zwar keine Brautkleider, und sie waren auch nicht weiß, aber für eine standesamtliche Trauung waren sie auf jeden Fall geeignet.
Das eine war ein hellgraues kurzärmeliges Etuikleid mit schwarzen Spitzenverzierungen an den Schultern. Und das andere ein eher verspieltes Sommerkleid mit V-Ausschnitt und angedeuteter Wickeloptik. Es hatte einen warmen Bronzeton, der wunderbar mit meinen dunklen Augen harmonierte, wie die Verkäuferin nicht müde wurde zu betonen.
Ich stand in dem bronzenen Kleid vor dem Spiegel und hielt mir das graue Gewand vor den Körper.
»Was meinst du denn, Lene?«, fragte ich unsicher. »Soll ich das nehmen … oder lieber das andere?« Ich nahm das graue Kleid weg. Mir gefielen beide gut.
»Hmm … Schwer zu sagen!«
»Ich finde das, was du gerade anhast, steht dir ganz wunderbar!«, kam es plötzlich von hinten.
Wir drehten uns um. Max stand da und grinste.
»Was machst du denn hier?«, fragte ich völlig verblüfft.
Ich hatte doch niemandem gesagt, dass ich nach Passau fahren würde.
»Max?«, rief auch Lene überrascht.
»Ich habe in Passau einiges zu erledigen, und da habe ich ganz zufällig …«
»Denkst du, ich glaub noch an den Osterhasen?«, unterbrach ich ihn. »Von wegen zufällig!«
»Nun ja …« Er grinste, beließ es aber dabei.
Da ich Max nicht zutraute, dass er heimlich Frauenkleider kaufte, und er auch nicht so verwirrt war, dass er zufällig in eine kleine Damenboutique in einer Seitengasse geraten war, konnte es nur einen geben, der ihm gezwitschert hatte, wo wir waren: sein Freund Karl. Auch Lene schien das in diesem Moment klar zu werden, und sie setzte einen strengen Blick auf.
»Warum müssen Männer nur immer solche Klatschweiber sein?«, fragte sie, ohne auf eine zufriedenstellende Antwort zu hoffen.
»Hey, das hat sich ganz zufällig ergeben. Karl und ich haben telefoniert, weil ich …«
»Spar dir die erlogenen Worte, mein lieber Cousin, sonst musst du sie nur wieder beichten. Also, was tust du hier? Willst du alle Kleider in Größe vierzig aufkaufen, damit ich keines mehr bekomme?«
Der Verkäuferin schien diese Idee zu gefallen, wie ihr Blick andeutete.
»Warum regst du dich denn immer gleich so auf, Hanna?«, fragte er und tat dabei so, als ob ich eine hysterische Ziege wäre, die ihm völlig grundlos böse Unterstellungen machte.
Ich atmete tief ein. »Ich reg mich nicht auf. Ich will nur in Ruhe einkaufen. Kannst du jetzt bitte gehen? Du hast doch sicherlich genug Arbeit auf deinem Hof!«
Er setzte sich auf einen Stuhl, der so fragil ausschaute, dass ich Angst hatte, er würde unter seinem Gewicht zusammenbrechen, und schlug lässig seine langen Beine übereinander. Der Stuhl hielt stand. Leider!
»Ich bleib hier ganz still sitzen und mach keinen Mucks mehr.« Er lächelte.
Er lächelte! Und das gefiel mir gar nicht. Normalerweise müsste er stinksauer sein, weil er mir am Ende das Erbe doch nicht wegschnappen konnte. Sicherlich hatte er irgendetwas vor. Nur was?
»Wenn du es nicht lassen kannst!«
Ich drehte mich wieder zum Spiegel und sah darin, wie Lene fragend zwischen uns hin und her schaute.
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