Hochzeitsstrudel und Zwetschgenglück: Roman (German Edition)
eine Lektion erteilt. Zumindest hoffte ich das.
Außerdem hatte ich einen Mann gefunden, der mich nicht nur rechtzeitig heiraten würde, sondern auch mit der dazugehörigen Scheidung einverstanden war. Ich würde das Geld und den Hof bekommen, und meine finanziellen Probleme hatten sich damit in Luft aufgelöst. Warum konnte ich mich nicht einfach ein wenig freuen?
Lag es daran, dass ich immer noch nicht wusste, was ich eigentlich nach der Hochzeit machen würde? Sollte ich meine Zelte in München abbrechen und mein Leben hier auf dem Hof ganz neu aufbauen? Oder sollte ich meine Firma weiter behalten und BeauCadeau von hier aus betreuen mit Daniela im Münchener Büro? Wollte ich überhaupt noch weiterhin die Wünsche anderer Frauen ergründen, um damit ein Geschäft zu machen?
Oder hatte meine schlechte Laune vor allem damit zu tun, dass ich keine Ahnung hatte, was Alex für ein Spiel trieb. Was mich – wenn ich ehrlich war – rasend machte. Ich hatte das Gefühl, so richtig ausgenutzt und verschaukelt worden zu sein. Das war umso schlimmer, weil ich mich tatsächlich in ihn verliebt hatte.
Der Ärger über Alex gab mir den nötigen Elan, um aufzustehen. Zumindest dachte ich das. Doch als ich mich aus dem Bett schwingen wollte, waren meine Schenkel schwer wie Blei. Und jetzt erkannte ich auch, warum ich mich so zerschlagen fühlte. Ich hatte einen ausgewachsenen Muskelkater, vor allem in den Waden und Oberschenkeln. Stöhnend stand ich auf und schlurfte langsam ins Badezimmer.
Als ich gerade unter die Dusche gehen wollte, klingelte es an der Haustür. So schnell es mir in meinem angeschlagenen Zustand möglich war, schlüpfte ich in den Bademantel, ging in mein Zimmer und öffnete das Fenster.
Unten stand Stefan! Er klingelte nochmal. Oje! Ich hatte ganz vergessen, dass wir heute gemeinsam zur Gemeindeverwaltung gehen wollten wegen der Hochzeit.
»Stefan! Hiiier!«, rief ich.
Er schaute nach oben.
»Guten Morgen, Hanna! Hast du verschlafen?«
»Mehr oder weniger.«
»Wie lange brauchst du denn?«, fragte er freundlich. Es gefiel mir, dass er nicht ärgerlich auf mich war.
»Eine halbe Stunde?«
»Gut. Dann fahr ich noch schnell zum Metzger wegen der Bestellung fürs Wochenende und hol dich danach ab.«
»Danke!« Kompliziert schien Stefan jedenfalls nicht zu sein.
Als wir später vor dem Standesbeamten saßen, klebte ein kleines Pflaster über meiner Oberlippe. Es störte mich zwar etwas beim Sprechen, zeigte aber zu hundert Prozent Wirkung. Stefan war sogar einen Schritt zurückgetreten, als ich ihm auf Nachfrage erzählte, dass ich Herpes an der Lippe hatte. Gut so. Vielleicht würden die Bläschen ja ungewöhnlich hartnäckig sein und die nächsten sechs Monate auf meinen Lippen verrückt spielen? Ein genialer Gedanke!
Der Standesbeamte erklärte uns, dass unsere Unterlagen vollständig waren und wir theoretisch schon heute heiraten könnten.
Heute schon? Eine verlockende Idee – doch nur für einen Moment. Irgendwie wollte ich meinen Hochzeitstag noch ein bisserl hinauszögern. Und auch wenn es nur eine Vernunftehe oder besser gesagt eine hmmm … naja … Scheinehe war, wollte ich doch ein passendes Kleid tragen.
Auch Stefan kam eine sofortige Hochzeit nicht so ganz gelegen. Für den Mittag hatte sich eine große Reisegruppe aus der Steiermark im Wirtshaus angesagt. Er musste noch an die hundertfünfzig Knödel machen und die Soße für den Sauerbraten, der unter der Aufsicht seiner Küchenhilfe bereits im Ofen vor sich hin schmorte.
Vor dem Standesamt verabschiedeten wir uns.
»Also dann bis Freitag«, sagte er.
»Ja. Bis Freitag.« Ich trat auf ihn zu und wollte ihn umarmen, aber Stefan ergriff eilig die Flucht. Mühevoll unterdrückte ich ein Lachen. Mein Plan funktionierte wunderbar.
Auf dem Nachhauseweg zupfte ich das Pflaster weg. Ich war in wesentlich besserer Laune als am Morgen. Allerdings nicht besonders lange. Als ich auf den Hof fuhr, sah ich den Wagen einer Bio-Metzgerei aus Passau, der vor dem Haus parkte. Willy und ein älterer Mann mit Halbglatze standen daneben. Fanny lag im Schatten unter der Hausbank und hielt ein Nickerchen.
Ich stieg aus dem Wagen und ging auf die beiden zu.
»Grüß Gott, Frau Gruber.« Der Mann streckte mir seine Hand hin, und ich schüttelte sie.
»Grüß Gott.«
»Rudi wird heut abgeholt«, erklärte Willy, und ich brauchte nicht lange zu überlegen, was das bedeutete.
Tränen brannten in meinen Augen, die ich zu unterdrücken versuchte.
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