Hochzeitsstrudel und Zwetschgenglück: Roman (German Edition)
Gäste ins Zimmer zu bekommen schloss ich das Fenster. Doch in der Hitze war es so kaum auszuhalten. Also stand ich wieder auf und öffnete es. Inzwischen fühlte ich mich total zerschlagen. Die Biester ließen mich einfach nicht zur Ruhe kommen. Überall an meinem Körper juckte es, und hinter meinem Ohr hatte ich eine richtige kleine Beule. Sofort morgen früh würde ich ein Fliegengitter am Fenster anbringen!
»Verdammt!«, schimpfte ich und quälte mich endgültig aus dem Bett. Ich schnappte mein Kissen und eine Decke und ging nach unten ins Wohnzimmer. Ich legte mich aufs Sofa und schaltete den Fernseher an. Auf einem Privatsender lief eine Dokusoap, die mich innerhalb weniger Minuten in den Schlaf beförderte.
Allerdings nicht lange. Ich wachte sehr zeitig auf und sinnierte über mein Leben, die Männer und das Erbe. Mein Hirn kam einfach nicht zur Ruhe. Schließlich hielt ich es nicht mehr aus. Ich musste mich ablenken. Ich ging ins Büro, um ein wenig zu arbeiten. Als ich mich setzte, fiel mein Blick wieder auf das rätselhafte Päckchen. Gestern Abend hatte ich völlig vergessen, meine Mutter deswegen nochmal anzurufen. Aber sie schien sich auch nicht sonderlich dafür zu interessieren, sonst hätte sie sich bestimmt selbst gemeldet.
Wieder bekam ich ein seltsames Prickeln im Nacken. Ich öffnete das Päckchen und holte die Brotzeitdose wieder heraus. Vielleicht sollte ich sie doch aufmachen? Mutter hatte mir ja quasi den Auftrag dazu erteilt. Ohne nochmal weiter darüber nachzudenken, hob ich den Deckel ab. Die Dose war mit ein wenig Zeitungspapier ausgepolstert, von derselben nur wenige Wochen alten Ausgabe, mit der schon das Päckchen selbst gefüllt war. Zwischen dem Papier lagen ein Taschenmesser, ein abgebrochener Bleistift und eine angelaufene silberne Kette mit einem schwarzen Anhänger. Ich holte die Sachen heraus und legte alles auf den Schreibtisch. Unten lag noch ein zusammengefaltetes Blatt Papier mit dem Mädchennamen und der alten Adresse meiner Mutter.
Eine seltsame Scheu überkam mich, das Blatt aufzufalten und den Brief, um den es sich vermutlich hier handelte, zu lesen.
Lange starrte ich auf das Papier, bis ich es schließlich auseinanderfaltete.
Kapitel 44
Noch nie hatte ich für die Fahrt nach München so lange gebraucht wie heute. Zweimal musste ich auf Rastplätzen anhalten, weil ich völlig neben mir stand und mich kaum auf den Verkehr konzentrieren konnte. Einmal hatte ich sogar schon angesetzt zu überholen, als ich in der letzten Sekunde bemerkte, dass links neben mir bereits ein Fahrzeug fuhr.
Der Fahrer hinter mir hatte wild gehupt und aufgeblendet. Daraufhin drosselte ich das Tempo drastisch. Fanny lag auf dem Rücksitz und gab keinen Mucks von sich.
Der Inhalt des Briefes hatte mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Ich war in einem Zustand, den ich nicht beschreiben konnte. Ich hatte bis jetzt keine einzige Träne geweint. Dazu war ich viel zu schockiert.
Nach langen drei Stunden fuhr ich den Wagen endlich in die Einfahrt zum Haus meiner Mutter. Fanny hob den Kopf und winselte.
»Brave Süße«, sagte ich und stieg langsam aus. »Komm mit.«
In meiner Tasche hatte ich das Päckchen und vor allem den Brief. Ich hoffte, dass meine Mutter entweder hier oder in ihrem Büro ganz in der Nähe war und keinen Gerichtstermin hatte. Ich musste sie sehen. Und zwar sofort!
Fanny trabte neben mir zur Haustür. Sie schaute immer wieder zu mir nach oben und stupste mich an der Hand. Ich wusste, dass sie spürte, wie sehr ich mitgenommen war. Und ich wusste auch, dass sie mich trösten wollte. Ich war froh, dass sie dabei war, und streichelte über ihren Kopf. Dann drückte ich meinen Finger auf die Türglocke.
Mutter war tatsächlich daheim und öffnete die Tür.
»Hanna! Was machst du denn hier?«, fragte sie überrascht.
»Ich muss mit dir reden!«
»Also, was ist los?«, fragte sie, nachdem sie mir ein Glas Wasser eingeschenkt hatte. Sie saß auf dem Sofa im Wohnzimmer und schaute mich besorgt an. Ich suchte nach den richtigen Worten und ging unruhig auf und ab. Doch es gab keine richtigen Worte. Ich holte das Päckchen aus der Tasche und stellte es vor ihre Nase.
»Ich möchte, dass du mir das erklärst«, sagte ich plötzlich.
»Ist das dieses Päckchen, wegen dem du mich gestern angerufen hast?«
Ich nickte.
Sie öffnete es und starrte hinein. Als sie die Kette und das Messer sah, wurde sie schlagartig bleich im Gesicht. Sie griff vorsichtig nach dem
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