Hocking, A: Tochter der Tryll - Entzweit: Band 2
erkennen. Sein Gesicht war verschwommen und unscharf.
Es ging etwas Bedrohliches von ihm aus, zumindest hatte Elora das geglaubt, als sie ihn gemalt hatte. Ihre Pinselstriche vermittelten mir das Gefühl.
»W ann hast du erfahren, dass die Vittra mich entführt haben?«, fragte ich. Vielleicht hatte sie es schon seit langer Zeit gewusst.
»A ls Finn es mir sagte«, antwortete sie abwesend. »E r kam, holte Tove und brach auf, um dich zu retten.«
»U nd du hast sie einfach…« Ich wollte sie fragen, warum sie ihnen keine Armee zur Seite gestellt hatte, aber mein Blick war auf das andere Gemälde gefallen und ich verstummte.
Dieses war ein Halbporträt von mir vor einem grauschwarzen Hintergrund, der nichts darüber verriet, wo ich mich befand. Ich sah genauso aus wie jetzt, nur viel besser gekleidet. Mein Haar hing offen herab, die dunklen Locken glänzten. Ich trug ein wunderschönes weißes Kleid, das mit Diamanten besetzt war, die zu denen in meiner Halskette und meinen Ohrringen passten.
Aber was mich besonders beeindruckte, war die reich verzierte Krone aus filigranem Silber, die ich auf dem Kopf trug. Mein Gesicht war ausdruckslos und ich konnte nicht erkennen, ob es mir gefiel, die Krone zu tragen. Aber hier war der Beweis dafür, dass ich eines Tages Königin sein würde.
»W ann hast du das gemalt?« Ich deutete auf das Bild und drehte mich zu Elora um. Sie hatte den Arm wieder vor die Augen gelegt, nahm ihn aber weg, weil sie sehen wollte, wovon ich sprach.
»A ch das.« Sie ließ den Arm sinken. »D enk nicht darüber nach. Wenn du versuchst, die Zukunft zu deuten und Dinge zu verhindern, machst du dich bloß verrückt. Es ist viel besser, alles geschehen zu lassen.«
»H ast du deshalb keine Angst gehabt, ich könnte sterben?«, fragte ich. Überrascht registrierte ich, dass ich wütend war.
Elora hatte gewusst, dass ich nicht sterben würde, denn sie hatte den Beweis, dass ich eines Tages Königin sein würde. Aber sie hatte darauf verzichtet, auch mich darüber zu informieren.
»U nter anderem«, seufzte meine Mutter.
»W as soll das heißen?«, zischte ich. »W arum musst du immer so verdammt rätselhaft reden?«
»E s bedeutet gar nichts!« Sie klang genervt. »V ielleicht zeigt das Bild dich als Königin, na und? Die Zukunft ist im Fluss, wir können sie nicht verstehen oder ändern. Und nur weil ich etwas male, heißt das noch lange nicht, dass es eintreffen wird.«
»A ber du hast den Angriff bei meiner Taufzeremonie vorhergesehen«, konterte ich. »I ch kenne das Bild, es zeigte den brennenden Ballsaal.«
»V erhindern konnte ich es trotzdem nicht«, sagte sie eisig.
»D u hast es nicht einmal versucht! Du hättest mich warnen oder den Ball absagen können!«
»I ch habe versucht, es zu verhindern!« Elora warf mir einen wütenden Blick zu, aber sie machte mir keine Angst mehr. »I ch habe Konferenzen einberufen und das Bild mit allen diskutiert. Ich habe Finn und den anderen Trackern davon erzählt. Aber ich kannte keine Details, sondern sah nur Feuer, Kronleuchter und Rauch. Nicht die Menschen. Nicht den Ballsaal. Ich hatte nicht einmal ein Zeitfenster. Weißt du, wie viele Kronleuchter allein im Südflügel hängen? Was hätte ich denn tun sollen? Allen verbieten, sich von nun an unter Kronleuchtern aufzuhalten?«
»N ein. Ich weiß nicht«, stammelte ich. »D u hättest… irgendetwas tun müssen.«
»I ch verstehe die Visionen erst, nachdem sie sich ereignet haben«, sagte Elora halblaut. »U nd zwar immer. Es ist beinahe schlimmer, als nichts über die Zukunft zu wissen. Ich weiß nicht, was meine Bilder bedeuten, und ich kann die Ereignisse darauf nicht ändern. Erst hinterher ergibt alles plötzlich einen Sinn.«
»W as willst du mir damit sagen?«, fragte ich. »D ass ich doch nicht Königin werde?«
»N ein. Ich will damit sagen, dass das Bild nichts bedeutet.«
Elora schloss die Augen und rieb sich die Nase. »I ch bekomme gerade eine schreckliche Migräne. Würde es dir etwas ausmachen, dieses Gespräch später fortzusetzen?«
»G ut. Von mir aus.« Ich hob resigniert die Hände, denn ich konnte sie schließlich nicht zum Reden zwingen. Ich hatte Glück, dass sie nicht telepathisch Finn gerufen hatte, um mich rauszuwerfen.
Erst jetzt erinnerte ich mich an Finn. Auf der Fahrt nach Förening hatte ich nicht viel mit ihm gesprochen, aber ich hatte ihm definitiv so einiges zu sagen.
Ich verließ den Salon und suchte nach ihm. Eigentlich hatte ich genug andere
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