Hocking, A: Tochter der Tryll - Entzweit: Band 2
mich zu einem Lächeln. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um mir darüber Sorgen zu machen, worauf ich mich da eingelassen hatte. Ich hatte vor der Hochzeit noch genug Zeit, um zu lernen, was es bedeutete, eine Ehefrau zu sein.
»J a, das wird er bestimmt«, murmelte Elora und wendete sich wieder ihrem Bild zu.
»W irklich?«, fragte ich.
»J a«, sagte sie. Sie kehrte mir weiterhin den Rücken zu. »I ch werde dir nicht dasselbe antun, das mir angetan worden ist. Wenn ich der Meinung wäre, du müsstest etwas Schreckliches tun, um die Interessen der Tryll zu schützen, würde ich dich dennoch darum bitten. Ich würde verlangen, dass du deine Pflicht erfüllst, aber ich würde dir ganz genau sagen, was dir bevorsteht. Ich würde dich niemals blind ins Messer laufen lassen.«
»D anke«, sagte ich aufrichtig. »B ereust du, dass du meinen Vater geheiratet hast?«
»I ch versuche, möglichst wenig zu bereuen«, sagte Elora müde und nahm ihren Pinsel wieder auf. »E s schickt sich für eine Königin nicht, der Vergangenheit nachzutrauern.«
»W arum hast du nie wieder geheiratet?«
»W en denn?«
Ich hätte beinahe Thomas gesagt, aber das hätte sie nur wütend gemacht. Außerdem wäre eine Verbindung mit ihm unmöglich gewesen. Erstens war er ein Tracker und zweitens bereits verheiratet. Aber nicht aus diesem Grund wäre sie sauer geworden. Es hätte sie eher geärgert, dass ich von der Affäre wusste.
»G arrett?«, sagte ich stattdessen und Elora gab ein Geräusch von sich, das wie ein Lachen klang. »E r liebt dich, und er ist ein angesehener Markis. Er wäre ein geeigneter Partner gewesen.«
»S o angesehen ist er nicht«, winkte Elora ab. »E r ist ein guter Mann, das stimmt. Aber darum geht es in einer Ehe nicht. Ich habe dir doch schon gesagt, dass Liebe und Ehe nichts miteinander zu tun haben, Prinzessin. Die Ehe ist ein Vertrag zwischen zwei Parteien, und ich habe bis heute keinen Grund gehabt, noch einen solchen Vertrag abzuschließen.«
»W arum heiratest du nicht einfach aus Liebe?«, fragte ich. »B ist du denn nie einsam?«
»E ine Königin ist vieles, aber niemals allein.« Sie hielt den Pinsel dicht über die Leinwand, als wolle sie malen, aber sie tat es nicht. »I ch brauche weder Liebe noch einen Mann, um mich vollständig zu fühlen. Eines Tages wird das auch auf dich zutreffen. Verehrer kommen und gehen, und nur du bleibst dir für immer erhalten.«
Ich starrte aus dem Fenster, weil ich nicht wusste, was ich dazu sagen sollte. Das war eine noble, würdevolle Haltung, aber irgendwie kam sie mir auch tragisch vor. Mir vorzustellen, dass ich den Rest meines Lebens alleine verbringen würde, hatte mich noch nie getröstet.
»A ußerdem wollte ich nicht, dass Willa eine mögliche Thronfolgerin wird«, sagte Elora und malte weiter. »D as wäre passiert, wenn ich Garrett geheiratet hätte. Sie wäre eine Prinzessin geworden, eine rechtmäßige Anwärterin auf den Thron, und der Gedanke war mir unerträglich.«
»W illa wäre eine gute Königin«, sagte ich und merkte, dass ich das ernst meinte.
Willa war mir seit meiner Ankunft hier sehr ans Herz gewachsen, und sie wirkte inzwischen auch viel gereifter. Sie hatte eine Herzensgüte und eine Weisheit, die ich ihr anfangs niemals zugetraut hätte.
»M ag sein. Aber sie wird nicht Königin werden. Sondern du.«
»H offentlich noch lange nicht«, seufzte ich.
»D u musst dich bereit machen, Prinzessin.« Elora warf mir einen Schulterblick zu. »S o schnell wie möglich.«
»I ch bin dabei«, versicherte ich ihr. »I ch trainiere jeden Tag und nehme an allen Sitzungen teil. Außerdem lese ich mich gerade in Tryll-Geschichte ein. Aber ich brauche trotzdem noch Jahre, bis ich eine kompetente Königin werden kann.«
»D u hast aber keine Jahre mehr«, sagte Elora.
»W ie meinst du das?«, fragte ich. »W ann werde ich denn Königin? Wie lange bleibt mir noch?«
»S iehst du dieses Bild?« Elora deutete auf eine Leinwand, die am Regal lehnte. Das Bild hatte ich schon einmal gesehen.
Es war ein Halbporträt von mir. Ich trug ein weißes Kleid und auf dem Kopf eine reich verzierte und mit Diamanten besetzte Platinkrone.
»N a und?«, fragte ich. »E ines Tages werde ich Königin sein. Das wissen wir beide.«
»S chau genauer hin.« Sie zeigte mit dem Griff ihres Pinsels darauf. »S chau dein Gesicht an. Wie alt bist du auf dem Bild?«
»I ch bin…« Ich kniff die Augen zusammen und kniete mich vor das Gemälde. Sicher konnte ich es
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