Höhenangst
abholen kann?« fragte ich ihn, nachdem wir die Straße überquert hatten. Dieselbe Straße, auf der Adam und ich uns zum erstenmal begegnet waren.
»Ich glaube, er wollte sich mit irgendeinem Kameramann treffen, der vielleicht die Expedition begleiten wird.«
»Hast du den Artikel im Guy -Magazin gelesen? Über den Chungawat?«
»Ich habe damals am Telefon mit Kaplan gesprochen. Er klang wie ein Profi.«
»Er schreibt nicht viel Neues.«
»Das hat er selbst auch gesagt.«
»Mit einer einzigen Ausnahme. Du hast geschrieben, der Mann, der die Nacht überlebt hatte und am nächsten Morgen sterbend gefunden wurde, sei Pete Papworth gewesen. Laut Kaplan war es Tomas Benn.«
»Der Deutsche?« Klaus runzelte die Stirn, als versuchte er, sich zu erinnern. Dann lächelte er. »Wahrscheinlich hat Kaplan recht. Ich war damals nicht gerade im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte.«
»Und daß sich Adam und Laura Tipler ein Zelt geteilt haben, hast du auch nicht erwähnt.«
Er sah mich mit einem eigenartigen Blick an, ohne seine Schritte zu verlangsamen.
»Ich wollte nicht indiskret sein.«
»Wie war sie?«
Nach Klaus’ mißbilligender Miene zu urteilen, hatte ich gerade gegen ein ungeschriebenes Gesetz verstoßen. Er schwieg einen Moment. Dann sagte er: »Das war, bevor er dich kennengelernt hat, Alice.«
»Ich weiß. Darf ich deswegen gar nichts über sie erfahren?«
Er gab mir keine Antwort. »Oder über Françoise? Oder all die anderen?« Ich nahm mich zusammen. »Tut mir leid. Ich hab’s nicht so gemeint.«
»Debbie meint, du brütest zuviel über diesen Dingen.«
»So, meint sie das? Sie hatte ja selbst auch mal was mit ihm.«
Meine Stimme klang unnatürlich hoch. Allmählich gab mir mein Verhalten selbst zu denken.
»Mein Gott, Alice!«
»Vielleicht sollten wir doch nicht zu Fuß gehen.
Vielleicht sollte ich lieber mit dem Taxi nach Hause fahren. Ich fühle mich wirklich ein bißchen müde.«
Wortlos trat Klaus auf die Straße und hielt ein Taxi an.
Nachdem er mir hineingeholfen hatte, stieg er trotz meiner Proteste ebenfalls ein.
»Tut mir leid«, sagte ich noch einmal.
Zwischen uns herrschte peinliches Schweigen, während sich das Taxi durch den abendlichen Verkehr kämpfte.
»Du hast keinen Grund, eifersüchtig zu sein«, sagte er schließlich.
»Ich bin nicht eifersüchtig. Ich hab’ bloß die Nase voll von dieser ewigen Heimlichtuerei. Wenn ich über Adam überhaupt etwas erfahre, dann nur aus irgendwelchen Zeitschriften oder von anderen Leuten, die aus Versehen etwas ausplaudern. Es ist, als würde ich ständig aus dem Hinterhalt überfallen. Ich weiß nie, aus welcher Richtung die nächste Überraschung kommt.«
»Nach allem, was ich so höre«, sagte Klaus, »springen dir die Überraschungen nicht gerade ins Gesicht. Ist es nicht eher so, daß du nach ihnen suchst?« Er legte eine warme, schwielige Hand auf die meine. »Vertrau ihm«, sagte er. »Hör auf, dich zu quälen.«
Ich lachte, aber nach ein paar Sekunden verwandelte sich mein Lachen in ein Schluchzen.
»Tut mir leid«, sagte ich wieder. »Ich bin normal nicht so.«
»Vielleicht solltest du dir von jemandem helfen lassen«, meinte Klaus.
Ich starrte ihn entgeistert an.
»Du glaubst, ich bin verrückt? Ist es das, was du glaubst?«
»Nein, Alice, ich glaube bloß, daß es dir vielleicht helfen würde, mal mit einem Außenstehenden über all diese Dinge zu reden. Hör zu, Adam ist ein Kumpel von mir, aber ich weiß, was für ein starrköpfiger Mistkerl er sein kann. Wenn du Probleme hast, dann laß dir von jemandem helfen.«
»Vielleicht hast du recht.« Ich ließ mich auf den Autositz zurücksinken und schloß meine brennenden Augen. Ich fühlte mich todmüde und schrecklich deprimiert. »Vielleicht habe ich mich wirklich wie eine Idiotin benommen.«
»Hin und wieder benehmen wir uns alle wie Idioten«, sagte Klaus. Er wirkte erleichtert über meine plötzliche Einsicht.
Als das Taxi anhielt, bat ich ihn nicht auf die Tasse Tee mit hinauf, die ich ihm versprochen hatte. Ich glaube nicht, daß er darüber böse war. Vor der Haustür umarmte er mich kurz und eilte dann mit wehendem Mantel davon.
Mutlos und etwas beschämt über mich selbst schleppte ich mich die Treppe hinauf. Nachdem ich die Wohnungstür hinter mir zugezogen hatte, ging ich als erstes ins Bad und warf einen Blick in den Spiegel. Was ich sah, gefiel mir überhaupt nicht. Dann ließ ich den Blick durch die Wohnung schweifen, die noch genauso aussah, wie
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