Höhenangst
ein Bad.« Ganz unten prangte schließlich in den vertrauten Großbuchstaben:
EINEN HARTEN TAG GEHABT
Die Worte waren mehrfach wiederholt worden, als hätte ein Kleinkind das Schreiben geübt:
EINEN HARTEN TAG GEHABT
EINEN HARTEN TAG GEHABT
EINEN HARTEN TAG GEHABT
EINEN HARTEN TAG GEHABT
EINEN HARTEN TAG GEHABT
Dann:
ADAM
ADAM
ADAM
ADAM
ADAM
ADAM
ADAM
ADAM
ADAM
ADAM
ADAM
ADAM
Und als letztes schließlich:
EINEN HARTEN TAG GEHABT, ADAM?
NIMM EIN BAD.
Vielleicht war ich wirklich verrückt. Vielleicht gingen meine Nerven mit mir durch. Ich zermarterte mir das Gehirn nach einer einleuchtenden, beruhigenden Erklärung. Womöglich hatte Adam einfach nur ein bißchen herumgekritzelt, dabei an die Nachricht gedacht und die Worte immer wieder auf das Kuvert gemalt. Aber das, was ich vor mir auf dem Papier sah, war etwas anderes. Adam hatte nicht herumgekritzelt. Er hatte die Handschrift der früheren Nachrichten – Taras Nachrichten
– nachgeahmt, um auf diese Weise zu verhindern, daß jemand eine Verbindung zwischen Tara und der Person herstellte, von der wir belästigt worden waren. Nun wußte ich es. Ich wußte über Sherpa Bescheid und über alles andere. Ich wußte, was ich schon lange Zeit gewußt hatte.
Die einzige Wahrheit, die ich nicht ertragen konnte.
Ich griff nach dem Umschlag. Meine Hände waren ruhig. Ich versteckte ihn in der Schublade mit meiner Unterwäsche, wo ich auch schon die Briefe von Adele versteckt hatte. Dann ging ich zum Bett und legte alles, was ich herausgenommen und sortiert hatte, zurück in die Schachteln. Dann schob ich sie wieder unters Bett und rieb sogar die Abdrücke weg, die sie auf dem Teppich hinterlassen hatte.
Ich hörte ihn die Treppe heraufkommen und ging ohne Eile in die Küche. Er kam herein und stellte sich neben mich. Ich stand auf, küßte ihn und schlang fest die Arme um ihn.
»Ich habe einen Frühjahrsputz gemacht«, erklärte ich.
Meine Stimme klang ganz normal.
Er gab mir ebenfalls einen Kuß und sah mir tief in die Augen. Ohne mit der Wimper zu zucken erwiderte ich seinen Blick.
35. KAPITEL
Adam wußte es. Zumindest ahnte er etwas, denn er war immer um mich, hatte immer ein Auge auf mich. Ein distanzierter Beobachter hätte glauben können, es wäre wieder so wie zu Beginn unserer Beziehung, als wir es beide körperlich nicht ertragen konnten, voneinander getrennt zu sein. In Wirklichkeit aber verhielt sich Adam jetzt eher wie ein gewissenhafter Arzt, der eine Patientin, deren Zustand labil war, keinen Moment lang aus den Augen lassen wollte, weil er den Verdacht hegte, sie könnte sich sonst Schaden zufügen.
Dabei war es nicht so, daß Adam mir überallhin folgte.
Er begleitete mich keineswegs jeden Tag zur Arbeit und holte mich auch nicht täglich ab. Ebensowenig rief er mich ständig an. Das alles kam nur sporadisch vor, aber es reichte, um mir bewußt zu machen, wie riskant es gewesen wäre, weiter die Privatdetektivin zu spielen. Er behielt mich im Auge, und ich war sicher, daß er sich manchmal in meiner Nähe befand, ohne daß ich es bemerkte. Ein paarmal hatte ich auf der Straße das Gefühl, beobachtet zu werden. Einmal bildete ich mir sogar ein, aus dem Augenwinkel etwas bemerkt zu haben. Als ich mich umdrehte, war Adam nirgendwo zu sehen, was aber nicht hieß, daß er sich nicht trotzdem in der Nähe befand. Es spielte sowieso keine Rolle mehr. Ich hatte das Gefühl, alles zu wissen, was ich wissen mußte. Nun blieb mir nur noch, die einzelnen Teile des Puzzles zusammenzufügen.
Greg wollte für ein paar Monate in die Staaten, und am Samstag vor seiner Abreise organisierten ein paar Freunde eine Abschiedsparty für ihn. Es regnete fast den ganzen Tag, und Adam und ich kamen erst gegen Mittag aus dem Bett. Dann hatte Adam es plötzlich sehr eilig, sich anzuziehen, und erklärte mir, er müsse für ein paar Stunden weg. Nachdem er mir einen harten Kuß auf den Mund gedrückt hatte, ging er. Ich blieb im Bett und zwang mich, über alles nachzudenken – systematisch, Punkt für Punkt, als wäre Adam ein Problem, das es zu lösen galt.
Alle Teile des Puzzles lagen vor mir, ich mußte sie nur in der richtigen Reihenfolge zusammensetzen. Während ich draußen den Regen auf das Dach trommeln und die Autos durch die Pfützen brausen hörte, zermarterte ich mir das Gehirn.
Immer wieder ging ich im Geist die Ereignisse auf dem Chungawat durch, dachte an das Unwetter, den Gesundheitszustand von Greg und Claude Bresson, die
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