Höhenangst
ich nicht darüber reden. Die arme Sylvie, die es nur gut gemeint hatte. Sie war zur Beerdigung gekommen und hatte mich um Verzeihung gebeten. Wie hätte ich ihr diese auch verwehren können?
Ich war müde, aber nicht schläfrig. Ich bereitete mir eine Tasse Tee zu, den ich aus einem von Adams Zinnbechern trank, der an seinem Rucksack gehangen hatte, als wir zu unserer Hochzeitsreise in den Lake District aufgebrochen waren, wo wir jene dunkle, sternenklare Nacht in der Hütte verbracht hatten. Ich saß im Bademantel auf dem Sofa, hatte die Beine unter den Körper gezogen und dachte über Adam nach. Ich dachte daran, wie wir uns das erstemal über die Straße hinweg angestarrt hatten. Wie er mich mit seinem Blick in seinen Bann gezogen hatte. Ich mußte an unsere letzte Begegnung auf dem Polizeirevier denken. Er mußte gewußt haben, daß es das Ende war.
Wir hatten keine Gelegenheit gehabt, uns voneinander zu verabschieden. Es hatte wie in einem Rausch begonnen und in einer Katastrophe geendet.
Clive hatte mich ein paar Tage zuvor, als wir uns zum Mittagessen trafen und er seine Betroffenheit zum Ausdruck gebracht und ein paar Worte des Trostes gesprochen hatte, gefragt: »Wie soll jemals ein anderer Mann an ihn herankommen, Alice?«
Adam hatte sieben Menschen getötet. Er hätte mich ebenfalls umgebracht. Jedesmal, wenn ich mich an seinen so konzentriert und voller Liebe auf mich gerichteten Blick erinnerte oder vor meinem geistigen Auge seine Leiche an dem gelben Seil schwingen sah, mußte ich auch daran denken, daß er ein Vergewaltiger und Mörder gewesen war. Mein Adam.
Aber trotz allem konnte ich sein schönes Gesicht und die Art, wie er mich im Arm gehalten, mir in die Augen gesehen und voller Zärtlichkeit meinen Namen ausgesprochen hatte, nicht vergessen. Niemand hatte mich so sehr, so über alles geliebt wie er. Ich will nur dich, hatte er gesagt, nur dich. Nie wieder würde mich jemand so lieben.
Ich stand auf und öffnete das Fenster. Eine Schar betrunkener junger Männer ging unten auf der beleuchteten Straße vorbei. Einer von ihnen blickte nach oben, sah mich am Fenster stehen und warf mir eine Kußhand zu. Lächelnd winkte ich zurück. Dann wandte ich mich ab. Was für eine traurige Geschichte. Mein Liebster. Mein Herz.
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